Das Alter versteht die Jugend nicht

■ betr.: „Der gekränkte Kulturbe auftragte“ (Artikel über Hans Ma gnus Enzensberger) von Roman Luckscheiter, taz vom 22./23.8.98

Eine megageile Enthüllungsstory war das: H. M. Enzensberger als Feind der Masse geoutet! Ich möchte dem noch etwas ganz Wichtiges hinzufügen, nämlich: Enzensberger ist vor allem ein Feind der Jugend! Der Beweis: das abgedruckte Foto. Darauf sieht man nämlich einen alten Mann mit grauen Haaren und Falten im Gesicht und echt spießiger Kleidung. Und wenn man nun dieses Foto mit früheren vergleicht, dann war das doch schon immer so. Niemals zeigte sich Enzensberger etwa mit Ringen durch Nase und Ohren oder diesen schicken Pearcings oder rasiertem Kopf und geilen Lederklamotten usw. Es kann nur daran liegen, wie du vermutest, daß Enzensberger gekränkt ist, weil man ihn nicht kopiert hat. Oder warum sonst sieht er heutzutage so alt aus? Ein typischer Paranoiker und Melancholiker. Und das wollen wir nun wirklich nicht. Deshalb: Weg mit Enzensberger und ein Hoch auf das taz.mag für diesen mutigen Beitrag. Tina Stadler, Frankfurt/Main

Heute, da Adornos in der „Dialektik der Aufklärung“ niedergelegte Kulturindustrie-Thesen als prophetisch, ja, beinahe schon euphemistisch sich erweisen, wird groteskerweise allerorten Entwarnung gegeben: Alles halb so schlimm! Von wegen Manipulation! In diesen Chor stimmt auch Roman Luckscheiter ein.

Welch ein Zynismus aber (oder ist es Naivität?), das Zappen zwischen den Kanälen als Souveränität aufgeklärter Konsumenten, das Tanzen nach der Pfeife der Techno-Industrie als selbstbewußt gelebte Individualität hinzustellen! Was es nicht geben soll, das gibt es nicht, und die alten 68er nerven sowieso schon lange. „Immerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht“ (Adorno).

Wer heute noch einigermaßen bei Sinnen ist, der muß sich wohl die Häme der Schreiber vom Schlage eines Luckscheiter gefallen lassen. Das Alter versteht wieder mal die Jugend nicht, scheint er nahelegen zu wollen. So bescheuert würde ich niemals argumentieren, sehe mich in diesem Zusammenhang aber zu dem Hinweis gehalten, daß ich der Generation des Autors angehöre.

Verfügte Luckscheiter auch nur über ein absolutes Mindestmaß an Sensibilität in musicis, er müßte Enzensberger beipflichten und die ubiquitäre Beschallung als das empfinden, was sie ist: als Terror. [...] Seine musikalischen Maßstäbe (Stichwort „demokratische Kakophonie“) umgelegt auf Literatur würden ihn nicht Kursbuch und Brinkmann, sondern Bild und Konsalik lesen lassen. Florian Neuner, Berlin