Raffgier oder Unabhängigkeit in der Bürgerschaft

■ Richter verwehren Bremer AfB-Politiker Zusatzrente zu Bürgerschaftsbezügen

Der AfB-Bürgerschaftsabgeordnete Horst Ochs hat vor dem Landessozialgericht eine herbe Niederlage einstecken müssen. Der Politiker wollte neben seinen Bürgerschaftsbezügen in Höhe von 4.229 Mark auch noch sein vorgezogenes Altersruhegeld von monatlich 2.745 Mark einstreichen. Dies lehnten nacheinander zunächst die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), das Bremer Sozialgericht und nun die nächsthöhere Instanz mit der Begründung „keine Privilegien für Bürgerschafts-abgeordnete“ ab. Ochs überlegt, ob er mit dem Präzedenzfall vor das Bundessozialgericht zieht.

Der kaufmännische Angestellte war 1994 mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gewechselt. Ein Jahr später zog er dann in die Bürgerschaft ein, und die BfA verrechnete die Bezüge mit der Rente. Ergebnis: Ochs erhielt keinen Pfennig mehr bis er das endgültige Rentenalter von 65 Jahren erreichte. Zuvor lag der Abgeordnete weit über den Regelsätzen. Bei Vollrente dürfen derzeit nur 620 Mark im Monat zusätzlich verdient werden. „Daraus ergibt sich, daß keinerlei Ansprüche bestehen“, sagt BfA-Sprecherin Renate Thiemann. Dabei spiele es keine Rolle, ob das Bremer Abgeordnetenhaus nur ein Halbtagsparlament sei.

Ochs selbst vertritt die Ansicht, daß laut Gesetz nur Selbständigen- und Arbeitnehmer-Einkünfte auf die vorzeitige Altersrente angerechnet werden dürften. Die Bezüge von Abgeordneten seien damit nicht vergleichbar, da sie lediglich deren Unabhängigkeit sichern sollen. Dem schloß sich auch das Präsidium der Bürgerschaft an. „Ich will nicht dafür bestraft werden, daß ich ein politisches Mandat übernommen habe“, so Ochs.

Seiner These, die Abgeordnetenbezüge seien darum eine reine Aufwandsentschädigung, konnten sich allerdings weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht anschließen, so Richter Jörg Wulfgramm. So heißt es im Urteil, nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1971 und 1975, die seinerzeit zur Besteuerung von Abgeordnetenbezügen geführt hatten, sind diese Bezüge eine „Bezahlung aus der Staatskasse für die im Parlament geleistete Tätigkeit – und nicht nur eine Erstattung von besonderen Kosten“. Analog zu den Einkünften von ArbeitnehmerInnen und Selbständigen müßten daher auch die Einkünfte von Abgeordneten bei der vorzeitigen Altersrente berücksichtigt werden. „Die Anrechnungsregelung bezweckt nämlich allgemein, daß Renten nicht uneingeschränkt an Versicherte gezahlt werden, die durch eine berufliche Tätigkeit noch Einkünfte in mehr als geringfügiger Höhe erzielen“, so das Gericht. (Az. L 2 RA 1/98)

Der bekannteste Fall solcher Doppelverdiener-Mentalität stammt wohl aus dem Nordrhein-Westfälischen Landtag. Dort hatte Manfred Bruckschen, der sich als Betriebsratschef erfolgreich gegen die Bosse von Krupp und damit gegen die Schließung der Stahlhütte in Duisburg hatte durchsetzen können, nach seinem Einzug in den Landtag neben den Diäten in Höhe von 11.835 Mark noch Monat für Monat 3.000 Mark Arbeitslosenhilfe kassiert. Das ist heute nicht mehr möglich. Nach diesem Fall hat das Bundesamt für Arbeit in Nürnberg dem einen Riegel vorgeschoben. Demnach müssen Arbeitslose dem Arbeitsamt eine bestimmte Zeit pro Tag zur Vermittlung zur Verfügung stehen. Der letzte, der bis zu seiner Verrentung Arbeitslosen-Bezüge bekam, war MdBBü Heinz Wenke, SPD. Das erste Bremer „Opfer“ der neuen Regelung ist der SPD-Abgeordnete Werner Hoyer. Jens Tittmann