Intergalaktischer Brief

■ betr.: „Sozis treffen Geist“ (Schlagloch) von Friedrich Küp persbusch, taz vom 26. 8. 98

Das vorab: Wir sind für jede Werbung dankbar, vor allem für solche, die so freudig erregt im bunten Widersacherkostüm daherkommt. Staatsminister Pfeifer aus dem Kanzleramt haben wir auch nicht nach seinen Motiven gefragt, als er bereitwillig klaglos unseren Werbekarren bis ins Berliner Willy-Brandt-Haus zog.

Trotzdem läßt der Postfestum- Kommentar in der taz eine gewisse Verärgerung des Kommentators über den nun einmal schwer zu leugnenden Erfolg unseres euroVISIONEN-Meetings erkennen. Verehrter Küppi, großes Indianer- Ehrenwort, wir wollten gewiß alles und noch viel mehr, nur nicht Deinen Zorn provozieren. Dafür schätzen wir Dich doch alle viel zu sehr, Deine so kunstvoll gedrechselten Sätze, die nicht enden wollenden Wortkaskaden, die lakonisch-frechen Unterbrecher, die selbstverliebten Wortspiele, mit denen Du weiland öffentlich- rechtlich die Kleinen und die Großen, die Guten und die Bösen so herzerfrischend abgebürstet hast, so daß beim Finale stets nur einer als strahlender Sieger, als wahrer Rächer der Enterbten erhobenen Hauptes das Studio verließ. Das waren wirklich noch Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

Nein, zu Leibe rücken wollten wir ganz anderen. Was uns auch über die Maßen gelungen ist, zum Beispiel bei den Geisterfahrern von der FAZ, der SZ und dem Rheinischen Merkur, die sich nun schon seit Jahrzehnten in ihren Feuilletons an dem Phantom der 68er abschuften wie der selige Sisyphos. Wo also, bitte, geht's zum Feind? Der kühne Rundumschlag in der taz sollte doch wohl nicht etwa der Beginn einer wunderbaren Paranoia sein?

Mal ganz ehrlich, Küppi, wir haben Dich unter den tatsächlich mehr als 200 Medienvertretern, die zu unserem Berliner Kultur-Kongreß angereist waren, schmerzlich vermißt. Denn natürlich wäre es besser gewesen, Du hättest Dir am Ort des offenbar ungeheuren Geschehens selbst ein Urteil bilden können. Dann bräuchtest Du nicht aus der FAZ abzuschreiben. Ausgerechnet aus der FAZ, die in begreiflicher Verwirrung einen Redner gleich zum volltrunkenen Suffkopp promovierte, nur weil er etwas ganz Vernünftiges zu sagen hatte. Ich habe in der Schule immer nur bei Leuten abgeschrieben, von denen ich annehmen konnte, daß sie es besser wußten als ich.

Natürlich hätten wir Dich gern dabeigehabt. Früher hätten wir die Einladung einfach an den WDR geschickt. Heute kennen wir Deine Adresse nicht. Oder hätten wir via Telefon-CD bundesweit nach Dir fahnden sollen? Vielleicht, mea culpa, mea maxima culpa.

Dein Kommentar zu den Kommentaren läßt eines allerdings schonungslos deutlich werden: ein zu langer Mattscheiben-Entzug tut Dir nicht gut. Als Presseschauer mit den üblichen Kaspereien im Kulturbeutel verkaufst Du Dich als Muster ohne Wert. Es hilft alles nichts, Du mußt wieder zurück auf den Schirm, aber bitte subito! Auch, damit Du die wirklichen Schufte wieder vor einem Millionenpublikum zur Strecke bringen kannst, elegant, wie nur Du es schaffst; damit Du Dein Talent nicht weiter mit intellektueller Selbstkasteiung vor der doch überschaubaren Zahl der taz-Leser verplempern mußt.

Erlaube mir noch einen freundschaftlichen Rat unter uns Fruchtzwergen, von denen laut Werbung jeder so wertvoll ist wie ein kleines Steak. Auf das dünne Eis der Kunstkritik solltest Du Dich nun wirklich nicht wagen. Es reicht nicht, daß man Heartfield orthographisch korrekt schreiben kann. Zu meiner Kunst ist aller Sinn und Unsinn längst hundertfach gesagt, aus der kleinstbürgerlichen Perspektive ohnehin.

Küppi, wir müssen vorpreschen, nicht nachtarocken. „Willy wählen“ ist schon lange vorbei. Das ist Friedhof. Das wahre Leben spielt sich heute vor und hinter der Glotze ab. Wir sind alle da. Wir sind bereit.

Bei Wunsch nach mehr Information empfehlen wir http:// www.staeck.com/amd Klaus Staeck