Der Konflikt um Kaschmir

Pakistan sieht sich als Lebensraum für die Muslime des indischen Subkontinents, weshalb das mehrheitlich muslimische Kaschmir zum „Land der Reinen“ zugeschlagen werden müsse. Indien dagegen weist die Etikette „Hindustan“ – das Land der Hindus – zurück und definiert sich als säkularer Staat. Deshalb verletze eine Abtrennung Kaschmirs aufgrund der Religion dieses Prinzip.

Diese beiden Positionen haben sich in den vergangenen fünfzig Jahren noch verhärtet, obwohl – oder weil – beide Seiten Niederlagen erlitten. Pakistan verlor seinen Ostteil, aus dem 1971 Bangladesch wurde. Dessen Bewohner sind zwar Muslime, sehen sich aber in erster Linie als Bengalen. Dennoch pocht Pakistan mehr denn je auf den Islam als einigendes Band der Nation. Indien behielt seine säkulare Verfassung, aber nach der Zerstörung der Moschee von Ayodhya im jahr 1993 haben die Hindunationalisten Aufwind. Inzwischen stellen sie die Regierung. Die regierende Hindupartei BJP denkt nicht daran, Kaschmir aufzugeben.

Beide Seiten fürchten, daß mit der Aufgabe Kaschmirs sezessionistische Strömungen das Ende der jeweils multiethnischen Staaten bewirken würde. Dies erklärt den hohen Einsatz beider Seiten. Seit die BJP die Regierung in Indien stellt und jede Verhandlung über den Status von Kaschmir zurückweist, sind die Artilleriefeuer über die Waffenstillstandslinie hinweg wieder intensiver geworden. Bernard Imhasly