Das Porträt
: Bertis neuer Kapitän ist sein Gegenteil

■ Oliver Bierhoff

Kapitän ist natürlich auch nicht mehr, was er einmal war. Die Binde um den linken Arm längst nicht mehr ein mythisches Zeichen, das jenen unter den Jüngern schmückt, der von Gott Fußball erwählt wurde.

Dennoch wäre es nicht richtig anzunehmen, es sei schnuppe, daß der DFB- Trainer Berti Vogts gestern in Malta vor dem heutigen ersten Testspiel nach der WM Oliver Bierhoff zum neuen Spielführer des Nationalteams ernannt hat – und nicht Kahn oder Effenberg. Es macht schon einen Unterschied, ob im glücklichsten Fall ein Profi wie Jürgen Klinsmann Verband und deutschen Fußball in der Welt repräsentiert oder in einem weniger glücklichen Fall dessen direkter Vorgänger.

Bierhoff (30) ist nach Ermittlungen der Fachpresse von taz über Hattrick bis zu kicker der derzeit einzige deutsche Fußballprofi von Weltklasse. Dabei kann der Stürmer keinen Gegenspieler ausspielen. Im Gegensatz zum Spiel seines Vorgängers Klinsmann weckt seines auch keine Emotionen.

Bierhoff spielt nämlich überhaupt nicht. Er arbeitet rational und setzt dann seine speziellen Fachkenntnisse ein – was 20 Tore in 31 Länderspielen beweisen. Es handelt sich um Qualitäten, die er sich erarbeitet hat, weil er in seinen Jahren in Udine und nun beim AC Mailand gemerkt hat, wie Fußball auf modernstem Level funktioniert.

Bierhoff ist ein internationaler Profi, der die Bundesliga überwunden hat und die Mumie des deutschen Fußballs sowieso, die Vogts gerade trotzig weiter einbalsamiert. Er ist auch einer, der das Bild vom Fußballer überwunden hat, das Kollegen wie Matthäus und Möller geprägt haben und Provinzrebellen wie Effenberg und Basler nur variieren.

Das mag auch daran liegen, daß er als Sohn eines Wirtschaftsmanagers den Fußball nie als einzige, sondern immer als eine Möglichkeit sah. Bierhoff liebt den Fußball nicht, er will einen perfekten Job abliefern. Insofern ist er ein Vollprofi auf der Höhe der Zeit.

Es gäbe sicher einiges gegen Oliver Bierhoff anzuführen. Das kann man immer noch tun. In Zeiten wie diesen kann es auch dabei belassen zu sagen: Danke, Berti. Warum auch immer, der DFB-Trainer hat etwas Erstaunliches getan. Er hat einen Kapitän erwählt, der dem DFB-Team das geben könnte, was Vogts selbst ganz fremd ist: Stil. Peter Unfried