Bauplan vom Aberglauben

■ Riskant, aggressiv und exzessiv: Wim Vandekeybus' Ultima Vez tanzen mit 7 for a secret never to be told märchenhafte Alpträume beim Sommertheater

Im Vogel- wie im Menschenreich hat die Elster einen schlechten Ruf. Sie ist eine Diebin, eine Zerstörerin fremder Gelege, und sie soll sogar in Verbindung mit dunklen Mächten stehen. In angelsächsischen Ländern wird sie von abergläubischen Menschen deswegen besprochen. Die kleine Beschwörungsformel ist so simpel wie ein Kinderabzählreim, und für Wim Vandekeybus das perfekte Skript für ein Tanztheaterstück: „1 for sorrow, 2 for joy, 3 for a girl, 4 for a boy, 5 for silver, 6 for gold, 7 for a secret never to be told.“ Sieben Wörter für sieben Szenen und die Schlußzeile für den Titel: Das ist der Bauplan für ein Stück über den Aberglauben und die Vorurteile, mit denen das gescheckte Tier leben muß.

Im Gegensatz zum Vogel läßt der Ruf des Wim Vandekeybus und seiner Compagnie nichts zu wünschen übrig. Der Belgier ist Tänzer, Regisseur, Choreograph, Filmemacher, Schauspieler, Photograph und seit über zehn Jahren Chef der Tanzcompagnie Ultima Vez. Gleich die erste Produktion, What the body does not remember von 1987, die im gleichen Jahr auch in Hamburg beim Sommertheater Festival gastierte, war ein spektakulärer Erfolg. Heute wird Vandekeybus als einer der wichtigsten Choreographen Europas gehandelt. Neben einem festen Engagement am Royal Flemish Theatre in Brüssel tourt das Team um die Welt. „7“, wie das aktuelle Stück abgekürzt wird, macht am Wochenende nach Tokio und Lissabon auf Kampnagel Station.

Riskant, exzessiv und aggressiv sei auch hier der Tanzstil von Ultima Vez. Das jedenfalls schrieben die Kritiker, für die „7“ ein Beweis für einen Widerspruch ist: Einerseits ist Vandekeybus „am reinen Tanz nicht so sehr interessiert“. Die bisherigen Produktionen verbanden daher oft Tanz und Theater, Film und Musik im Dienste einer Gesamtaussage. Andererseits ist der Tanz auch in „7“ das spektakulärste Element: eine Art Akrobatik, für die in den USA der neidische wie ironische Begriff „Euro-Crash“ geprägt wurde.

Barbora Paluskova

Freitag, 4., und Samstag, 5. September, 20 Uhr, Kampnagel, K 6