Modell für Spekulanten

■ Ein Universitätsdozent hat eine Online-Börse für die Bundesliga programmiert

Jörg Bochow, Statistiker und Dozent für das Fach „Finanzierung und Kapitalmarkttheorie“ an der Privatuniversität Witten-Herdecke, möchte gern herausfinden, was Börsenspekulanten wirklich tun. Dazu wäre es nötig, ihre Motive und Persönlichkeiten zu studieren. Aber das verbieten der Datenschutz und das Steuergeheimnis. Für die Wissenschaft genügt jedoch auch ein Modell des spekulativen Handelns mit Wertpapieren, und Bochow nutzt deshalb die Fußball-Bundesliga als Spielwiese für seine Forschung. Er darf mehr als eine volle Million Mark für eine Börse ausgeben, an der online unter www.bundesligaboerse.de fiktive Aktien der Bundesligavereine gehandelt werden können.

Bochow glaubt, auf diese Weise durchaus brauchbare Hinweise auf das Verhalten von Spekulanten zu erhalten. Echtes Geld steht allerdings nicht auf dem Spiel. Gerechnet wird in sogenannten BL-Einheiten, von denen jeweils 100 Stück an neue Börsenkicker ausgegeben werden. Mit diesen imaginären Werten können sie nun Anteile an den 18 Vereinen der Bundesliga kaufen und verkaufen. Zur Zeit stehen – wenig überraschend – Bayern München und der letztjährige Deutsche Meister, Kaiserslautern, an der Spitze. Am schlechtesten stehen die Aktien von Wolfsburg, Bochum und der Eintracht – das Handelsblatt veröffentlicht jeweils montags die Kurse auf Papier, die sonst nur im sogenannten Orderbuch auf dem Unirechner online einsehbar sind.

Rund 100.000 Fußball-Börsianer spielen an der Uni Witten-Herdecke mit. Das Programm sei „technisch anspruchsvoll“, sagt Bochow. Bei einem ersten Probelauf während der Fußball-WM hat es mit 50.000 Mitwirkenden immerhin so gut funktioniert, daß Bochow nun eine ganze Bundesligasaison ohne Crash durchstehen zu können hofft. Allerdings sei auch die gegenwärtige Version „noch etwas anfällig“. Wenn alles klappt, darf sich der beste Spekulant auf einen Preis von 100.000 Mark freuen – ohne Gewinnanreiz funktioniert nun mal keine Börse. Bochow arbeitet bereits an einer Version für die Formel-1-Weltmeisterschaft. dpa, taz