„Sex ist die Wurzel der irischen Erneuerung“

■ Der irischstämmige Schriftsteller Frank McCourt („Die Asche meiner Mutter“) über die Iren in den USA, den nordirischen Friedensprozeß und die anregende Rolle von US-Präsident Bill Clinton

taz: Bill Clinton fährt nach Irland wie zum Triumphzug. Ist seine Rolle im Friedensprozeß wirklich so entscheidend?

Frank McCourt: Na ja, das ist tatsächlich etwas, was nur US-Präsidenten können. So wie Carter damals Sadat und Begin an einen Tisch bringen konnte, brachte Clinton die irischen und nordirischen Parteien zusammen. Es war letztlich Clintons und Hillarys Charisma, das die Fronten in Bewegung brachte.

Meinen Sie nicht, daß das irisch-amerikanische Wählerpotential für Clintons Engagement eine Rolle gespielt hat?

Ach was. Ich bin mal mit dem ehemaligen Gouverneur von New Jersey, dem irischstämmigen Brendan Byrne, herumgefahren. Der hat mir gesagt, wenn er auf die irische Stimme hätte bauen wollen, wäre er nie Gouverneur geworden. Das war 1970. Die Iren bilden keinen einheitlichen Block mehr. Sie interessieren sich nicht für Politik, für ethnische schon gar nicht, und allemal nicht für komplizierte Konflikte wie den um Nordirland.

Irgend etwas muß die Situation für einen Friedensschluß reif gemacht haben.

Die irische Kultur feierte in den 90er Jahren ein Comeback – in Irland und in Amerika. Das spielte eine größere Rolle als die irisch- amerikanische Stimme.

Wodurch wurde denn diese Renaissance ausgelöst?

Sex! Sex ist die Wurzel der irischen Erneuerung. Alles begann mit der Enthüllung, daß irische Priester sich an Knaben vergangen hatten. Der Skandal unterminierte die Position der katholischen Kirche – und das provozierte eine regelrechte Explosion der Kreativität. Ein ganzer Strom irischstämmige Künstler verließ Amerika und ging nach Irland – und umgekehrt. Der irische Film blühte auf, die irische Literatur erwachte zu neuem Leben. Es gab eine Fusion von amerikanischer Energie und irischer Tradition. Ich selbst bin ein Produkt davon. Mein Buch entsprang dieser Synergie. Interview: Peter Tautfest