Tauschgeschäft: Stimme gegen aktive Irlandpolitik

■ Wie die irische Community in den Vereinigten Staaten Bill Clinton zum Einsatz für den nordirischen Friedensprozeß brachte und Sinn-Féin-Chef Gerry Adams ein US-Visum erhielt

Washington (taz) – An einem Sommerabend des Jahres 1992 führte Niall O'Dowd, Herausgeber der Irish Voice in New York, eine kleine Gruppe von Männern mit ähnlich klingenden Namen zu einem vielbeschäftigten Politiker, der erst im Begriff war, sich einen Namen zu machen: Bill Clinton. „Wir hatten solide Informationen, daß Gerry Adams, der Führer der irischen Sinn Féin, neue Lösungen suchte. Dies war eine Chance, die nicht vertan werden durfte“, erzählt Niall O'Dowd rückblickend.

Die Vorwahlen im bevölkerungsreichen Bundesstaat New York würden darüber entscheiden, ob Bill Clinton, der bislang nur als zweite Wahl gehandelt wurde, überleben würde. Zu den Männern um Niall O'Dowd gehörten Robert Flynn, Chef einer großen New Yorker Versicherungsfirma, und Bruce Morrison, ehemaliger Abgeordneter aus Connecticut, der Bill Clinton vom Studium her kannte.

Morrison hatte sich angeboten, zwischen Clinton und den irischstämmigen Geschäftsleuten zu vermitteln. Es kam zu einem Tauschgeschäft: irische Stimme gegen eine aktive US-amerikanische Irlandpolitik. Clinton versprach, als Präsident einen Sonderbotschafter für Irland zu benennen und Gerry Adams, dem bisher mit der Begründung, er sei ein Terrorist, die Einreise verweigert worden war, ein Visum zu gewähren.

Als Präsident vergaß Bill Clinton diese Versprechen schnell. Daß er sich erneut für die irische Sache engagierte, ging wieder auf taktische Überlegungen zurück: 1994 etwa stand es schlecht um Clintons Krankenkassenreform. Er brauchte dringend jede Stimme. Senator Edward Kennedy aus dem traditionell irischen Boston, ein Verbündeter Clintons im Ringen um ein Krankenversicherungswesen, bastelte an einem Deal. Er wandte sich an wichtige Parlamentarier seiner eigenen Partei, die auf irische Wählerstimmen angewiesen waren. Insgesamt 40 Abgeordnete unterzeichneten eine Petition, Sinn-Féin-Chef Adams die Einreise zu gewähren. Der Preis war die Stimme dieser Abgeordneten für Clintons Reformwerk – das am Ende gleichwohl scheiterte.

Nach der Niederlage der Demokraten bei den Kongreßwahlen 1994 hätte kaum jemand etwas auf die Wiederwahl Clintons zum Präsidenten 1996 gegeben. „Wir konnten Clinton klarmachen, daß es rund 40 Millionen Iren in Amerika gibt“, erinnert sich Gaven Kennedy von der Irish American Unity Conference, einer irischen Lobbygruppe in Washington. „Die bilden einen traditionell demokratisch wählenden, aber konservativen Wählerblock. Wenn Clinton dieser Klientel durch eine konservative Politik und durch ein Engagement für den Frieden in Nordirland entgegenkäme, wären ihm diese Stimmen sicher.“

Hinter den Kulissen war wieder Bruce Morrison tätig: „Wir waren es, die jenes Forum schufen, das Gerry Adams nach Washington einlud.“ Dort fand am 14. März 1995 ein amerikanisch-irisches Dinner statt, an dem außer Gerry Adams auch John Hume, der Sprecher der gemäßigt nationalistischen Sozialdemokraten, und mit David Trimble erstmals ein Repräsentant der nordirischen Protestanten teilnahm. Clinton ernannte mit Senator Mitchel jenen Sonderbotschafter, den er 1992 versprochen hatte – und gewann 1996 die Wahl. Peter Tautfest