■ Nachschlag
: US-Theater der Fahrstuhlmonteure: „Cab legs“ in den Sophiensälen

Szene eines nicht vollzogenen Ehebruchs: „Womanizer“ John, das Stethoskop lässig um den Hals, begegnet Linda auf der Parkbank. Linda findet Ärzte toll. Das teilt sie John mit, in einer zwanzigminütigen Lobrede auf den Altruismus der Medizinerzunft. Woraufhin John ihr ganz vorsichtig immer wieder ein winziges Etwas (ein Insekt, einen Krümel, Mitesser gar?) aus dem Nacken klaubt, spitz auf dem Zeigefinger balanciert und voller wissenschaftlicher Neugierde beschnuppert. An Linda vesteift sich augenblicklich alles, das Spitzenkleid, der Haardutt und vor allem der fast nackte (huch!) Nacken. Das sind die peinlich erotischen Schauer, die eine intellektuelle New Yorker Hausfrau kaum auszuhalten imstande ist.

Zur Eröffnung des Theaterfestivals „Next Generation“, zu dem die Berliner Festwochen Inszenierungen aus Großbritannien, Irland und den USA geladen haben, zeigte die New Yorker Gruppe Elevator Repair Service ihre höchst skurrile Inszenierung „Cab Legs“ in den Sophiensälen. Ein mutiger Auftakt, zumal der amerikanischen Theaterszene derzeit längst nicht so gehuldigt wird wie den Jungen Wilden aus Großbritannien. Schlimmer noch: Wenn man Daryl Chin vom Performing Arts Journal Glauben schenkt, dann schmort das US-Theater schon seit Jahren in einer Sinnkrise, verursacht durch Marktzwänge, Eklektizismus und Epigonentum.

Die Fahrstuhlmonteure unter Leitung von John Collins arbeiten nach dem Improvisations- und Montageprinzip. Entlang einer permanent abschweifenden Nicht-Handlung werden surreale Sketchelemente, Tanz, Clownerien, eine trickfilmähnliche Soundkulisse sowie wahre Dialogperlen aufgehängt. Ein körperbetontes, akustisch irritierendes Theater, das die neun Performerinnen virtuos zu spielen wissen. Von einem Moment auf den anderen wird aus Sound Klang, aus Slapstick Tragödie, aus Highspeed dümpelnde Langsamkeit. Genau beobachtete, zu Sprechblasen gefrorene Phrasen, schamloses Bühnen- und Off-Geflüster, kontrolliert zuckende Gesichtsmuskeln sowie Requisiten, die scheinbar Abseitiges zitieren – das alles sind Details, die eine intelligente Komik transportieren und die als Abbild gestischen, mimischen und verbalen Zivilisationsmülls durchaus subtil-trashige Züge tragen. Ob das nun ein eklektischer Zweitaufguß ist oder nicht – „Cab Legs“ kommt hochprofessionell daher und macht vor allem Spaß. Eva Behrendt

Letzte Aufführung am 5.9. um 21 Uhr in den Sophiensälen, im HH Sophienstr. 18, Mitte. Außerdem zeigen Elevator Repair Service dort vom 1. bis 11.9. ihr Stück „Total Fictional Lie“ (Uraufführung)