Durchs grandiose Dröhnland
: Weite Wege zum Puffy-Pole

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Um Linton Kwesi Johnson in der Moderne anzudocken, wird gern mal darauf verwiesen, sein Sprechstil habe großen Einfluß auf den HipHop gehabt. Tatsächlich haben wohl alle, die sich in der Traditon der afrikanischen Griots als Geschichtensammler und -distributoren verstanden, die Blaupause für Rap abgegeben. Stilistisch allerdings ist der gebürtige Jamaikaner, studierte Soziologe, Radio- und Zeitungsjournalist, Plattenfirmenchef, Produzent und Erfinder der Dub Poetry mit seinem entspannten Erzählen über langsam dümpelnden Reggae recht weit vom aktuellen Zustand der HipHop- Branche entfernt. Statt dessen wirkt die Musik, lotet sie noch so kunstvoll alle Möglichkeiten des akustischen Dub aus, wie immer ein wenig als Anhängsel an Johnsons Poeme. Sein ausdrückliches Bekenntnis zur Kunst als Politik verbindet ihn allerdings mit allen maßgebenden HipHop-Generationen. Auch auf seiner letzten Platte „More Time“ ist der Rassismus das beherrschende Thema seiner Gedichte, darunter auch eine Erinnerung an die Berliner Dichterin May Ayim, die sich vor zwei Jahren umbrachte.

4.9., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Sabot stammen aus San Francisco und haben sich innerhalb der zehn Jahre ihres Bestehens konsequent zum Duo verschlankt. Im kleinsten denkbaren Bandzusammenhang angekommen, durften sie dann feststellen, daß es mehr auch gar nicht braucht, um den Jazz-Core zu spielen, den sie schon vorher gespielt haben. Statt dessen ist endlich mal Platz für die ausführlichen Bass-Exkursionen und Schlagwerk-Experimente, von denen jede Rhythmusgruppe feucht träumt.

4.9., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte

Bevor er sich nach Bremen wegmachte, war Fabsi Schlagzeuger bei ZK, aus denen die Toten Hosen hervorgingen. An der Küste erschuf er mit den Mimmis dann den ersten Schlagerpunk- Entwurf der Republik und grölte den SV Werder zur Meisterschaft. Es folgten diverse halb erfolgreiche oder völlig untergegangene Punkkapellen, bevor er zuletzt mit Fabsi & der Peanutsclub eine veritable Super Group zusammenstellte, deren Mitglieder locker die halbe deutsche Punkgeschichte repräsentieren.

Mit Die Kassierer, 4.9., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Einen Auftritt von Elektroblitz Mitte anzukündigen ist schwer: So disparat wie ihre Musik, die beständig pendelt zwischen Low-Fi-Versuch und elegischem Bombast, zwischen harten Gitarren und sprödem Schlager (legendär ihre Version von „Am Tag, als Conny Kramer starb“), wird es erst recht, wenn man sich auf die Bühne wagt. Je nach Lust und Laune wird es ein Konzert, eine Lesung oder auch ein ziemlich unterhaltsames Nichts-Passiert.

4.9., 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169–170, und 5.9., 21.30 Uhr, Shining Labor, Kastanienallee 79, Prenzlauer Berg

Die Drohung des Hamburger Klüngels, demnächst das deutsche HipHop-Geschäft zu übernehmen, scheint doch nicht so wahnwitzig gewesen zu sein, wie es zuerst schien. Tatsächlich tummeln sich Fischmob mit der All- Star-Nummer „Susanne zur Freiheit“ in den Charts, auch wenn es zur Puffy-Pole-position noch ein weiter Weg ist. Die Frage bleibt auch, ob sie den denn finden werden, so bekifft, wie sie immer sind. Vielleicht tun sie auch nur so. Ihr DeutschHop, der auch vor Schrammelanfällen nicht haltmacht, ist aber das Lustigste, was die Beklopptenindustrie diesen Sommer, wenn es einen gegeben hätte, zu bieten gehabt hat. Und tanzen kann man dazu auch noch.

7.9., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Als wären die B-52's grade gestern passiert, versuchen die Flamingo Massacres die Zeiten wiederzubeleben, in denen Punkrock gerade mal alt genug war, um ihn schon wieder scheiße finden zu können, man mit seinen Errungenschaften aber ganz fröhlich die New Wave erfinden und sich Kajal um die Augen schmieren konnte. Unser Trio hat deshalb hysterische Popmelodien, ein flottes Tempo und teilweise recht verschnörkelte Songstrukturen im Angebot.

10.9., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstr. 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler