■ Mit Nutzfahrzeugen auf du und du
: Schwer im Kommen

Berlin (taz) – Zuweilen unterscheiden sich Kanzler und Kanzlerkandidat inhaltlich. Wenn es etwa um Nutzfahrzeuge geht. Während Helmut Kohl (CDU) an die Hersteller apellierte, möglichst umweltfreundliche Lkw zu bauen, will Herausforderer Gerhard Schröder (SPD), Haltern abgasärmerer Nutzfahrzeuge Steuern erlassen. Ansonsten sonnten sich beide im Erfolg der Branche, die am Mittwoch abend 1.200 Aussteller aus 39 Ländern zur 57. IAA-Nutzfahrzeug-Messe in Hannover versammelte. Kohl nahm den Boom als Indiz für den versprochenen Aufschwung, Schröder erklärte, er regiere schließlich das „Autoland“.

Nun gilt die Nutzfahrzeugbranche tatsächlich als Indikator für die gesamte Wirtschaft, so nach dem Motto, nur wer gute Geschäfte macht, kauft auch neue Sattelschlepper, Bulldozer oder Traktoren. Und die wurden in diesem Jahr wie wild geordert: Daimler-Benz verkaufte bis Juli ein Fünftel mehr Fahrzeuge, VW meldet bis August plus elf Prozent, MAN fürs ganze Geschäftsjahr ebenfalls plus elf Prozent.

Auch der Elektronikkonzern Bosch, nach eigenen Angaben weltgrößter unabhängiger Autozulieferer, sagte voraus, seinen Umsatz statt um die erwartetzen fünf um sieben Prozent steigern zu können.

Bis zum Jahr 2010 rechnen Experten mit einem weiteren Zuwachs der Verkehrsleistung von Lkw um ein Drittel. Was für die Branche ein Grund zum Jubeln, ist für die Gesundheit ein Problem. Bei der Schadstoffminderung, klagt das Umweltbundesamt (UBA), bleibe bei Lkw und Bussen noch viel zu tun. Obwohl diese nur gut ein Zehntel der gesamten Autofahrleistung bewältigen, stoßen sie genausoviel Stickoxide aus wie Pkw (fördern Sommersmog) und verbreiten sogar doppelt so viele Feinstäube (etwa krebsserregenden Ruß). Für beides gibt es bereits Katalysator beziehungsweise Filtertechniken, doch die werden nur halbherzig und teuer angeboten. Die Hersteller spielen auf Zeit, und die EU spielt mit: Grundsätzlich verabschiedet sie Abgasnormen für Lastwagen ein paar Jahre später als die vergleichbaren Regeln für Pkw.

Statt auf sparsame Motoren setzen die Hersteller lieber auf Ventilatoren und Heizungen im Ledersitz oder Duschen im Führerhaus. Dies sei kein herausgeworfenes Geld, argumentiert ein Volvo-Berater, schließlich verbrauche ein „guter, ausgeruhter Fahrer auf seinen Touren bis zu 20 Prozent weniger Sprit“. Bislang hat das wenig genutzt: Zwischen 1991 und 1995 stieg der Spritverbrauch genauso schnell wie die Fahrleistung, nämlich um ein Fünftel. urb