Eigennützige Entwicklungshilfe

Bundesrepublik gibt immer weniger für die Entwicklungszusammenarbeit aus. Welthungerhilfe und terre des hommes kritisieren, daß Exportförderung statt Armutsbekämpfung im Mittelpunkt steht  ■ Aus Bonn Uwe Kerkow

Besonders frustrierend fällt dieses Jahr das Resümee von Welthungerhilfe und terre des hommes zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung aus. Zum sechsten Mal stellten die beiden Organisationen ihren alljährlichen Bericht „Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“ gestern in Bonn vor.

Letztes Jahr hatten sie noch Schelte dafür hinnehmen müssen, daß sie einen Rückgang der staatlichen Entwicklungshilfe auf 0,29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts prognostizierten. Sie haben recht behalten. Statt – wie von den UN immer wieder vorgeschlagen – 0,7 liegt die Zahl für 1997 nur bei 0,28 Prozent. Das bedeutet gemessen an der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands einen Rückgang um ein Drittel seit 1990.

7,67 Milliarden Mark war die Entwicklungszusammenarbeit dem deutschen Staat noch wert. Zieht man davon die 1,88 Milliarden Kreditrückzahlungen ab, die aus den Entwicklungsländern zurück an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) fließen, bleiben netto keine sechs Milliarden Mark übrig.

Kritik gibt es auch an der Praxis der Mittelvergabe. „Der Eigennutz der deutschen Entwicklungshilfe bekommt zuviel Bedeutung“, stellt Peter Mucke, Geschäftsführer von terre des hommes, fest. Das führt dazu, daß Länder wie China, Indonesien oder die Türkei, in denen deutsche Wirtschaftsinteressen eine wichtige Rolle spielen, übermäßig viel Geld erhalten – ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen. Schwarzafrika dagegen bekommt nur 24,5 Prozent aller Mittel gegenüber noch 28,4 Prozent im Vorjahr.

Zu kurz kommen auch all jene Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit, die der Exportförderung wenig dienlich sind, vor allem die Armutsbekämpfung. „Für die Grundbildung gibt das BMZ dieses Jahr nur noch 75 Millionen Mark aus. 1995 waren es noch 328 Millionen“, klagt Mucke. Zwar veröffentliche das Ministerium richtungweisende Papiere, etwa über die Berücksichtigung von Fraueninteressen, doch fehle es an der praktischen Umsetzung. So sei zum Beispiel kein Überblick vom BMZ über die Programme zu bekommen, die der Förderung der Grundbildung von Mädchen und Frauen dienen.

Von der künftigen Bundesregierung wünschen sich Mucke und Volker Hausmann, Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, mehr Geld für regierungsunabhängige Organisationen. Bisher gibt es staatliche Unterstützung nur projektgebunden. Der Staat solle sich aber darauf konzentrieren, „entwicklungsfreundliche“ Rahmenbedingungen zu schaffen, während für die Projektdurchführung private Organisationen besser geeignet seien.

Beide Organisationen sprachen sich bei aller Kritik vehement für die Erhaltung des BMZ aus, da die Entwicklungszusammenarbeit „ein eigenständiges Politikfeld“ sei. Die Eingliederung des Ministeriums etwa ins Auswärtige Amt sei „ein verheerendes und kontraproduktives Signal“.