Skins jagen Afrikaner: „Ich bin um mein Leben gelaufen“

■ Mosambikaner in Halle schwer verletzt. Er schrie um Hilfe. Antwort von Passanten: „Wir haben Wichtigeres zu tun“

Halle (taz) – Wegen des brutalen Überfalls auf einen 31jährigen Mosambikaner in einer Plattenbausiedlung in Halle sitzen zwei Jugendliche in Untersuchungshaft. Den 17 und 21 Jahre alten Männern wird von der Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Die Tat sei Folge einer ausländerfeindlichen Einstellung.

Der 31jährige war in der Nacht zu Mittwoch von einer Gruppe Skins durch Halle- Neustadt gejagt, brutal zusammengeschlagen und mit einem Messer verletzt worden. Ein Stich traf das Auge. Die linke Hand ist gebrochen, auch die andere verbunden. Sein Gesicht ist von Schnittwunden gezeichnet.

In der S-Bahn war Xaver V. von etwa zehn Jugendlichen in Bomberjacken und Springerstiefeln angepöbelt worden. Als er in Halle-Neustadt ausstieg, sei ihm die Gruppe gefolgt, berichtet der Mosambikaner. „Ich bin nur noch um mein Leben gelaufen.“ Dabei habe er mehrere Frauen getroffen. „Ich schrie um Hilfe“, so Xaver V., „aber sie haben gesagt, daß sie Wichtigeres zu tun hätten.“ Xaver V. wurde dann bewußtlos. Er erlangte sein Bewußtsein erst wieder, als die Polizei schon da war. Die setzte dann Spürhunde ein, fand das Messer und zwei Tatverdächtige.

Die beiden gaben gegenüber dem Haftrichter zu, den Afrikaner mitverfolgt zu haben. Zugeschlagen und zugestochen hätten sie nicht. Einer der beiden ist nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung in einem Haftkrankenhaus. Er leide aufgrund seines Drogenkonsums an Entzugserscheinungen.

Halles Polizeipräsident Dietmar Gebel nannte das kollektive Wegsehen eine „neue Qualität. Sollten sich Hinweise auf unterlassene Hilfeleistung ergeben, werden wir selbstverständlich auch hier ermitteln.“ Insgesamt sei zu beobachten, daß die Zahl ausländerfeindlicher Übergriffe seit der Wahl in Sachsen-Anhalt enorm zugenommen habe.

Xaver V. war vor zehn Jahren in die DDR geholt worden, um im Waggonbau Ammendorf zu arbeiten. Inzwischen hat er eine Familie mit vier Kindern im Alter zwischen zwei und fünf Jahren. Gestern wurde Xaver V. operiert. Die Ärzte wissen noch nicht, ob der Mosambikaner jemals wieder richtig sehen kann. Nick Reimer