Drücken, beißen, schlucken

Zum siebten Mal prüften die Laibertester der Bäckerinnung die freiwillig zur Verfügung gestellten Brote von Hamburger Bäckern  ■ Von Malte Weber

„Nummer 273 ist ein Mischbrot aus 70 Prozent Roggen- und 30 Prozent Weizenmehl, hat eine schöne runde Form mit gleichmäßig brauner Kruste, die gleichmäßig und nicht zu dick bemehlt ist“, diktiert Michael Isensee seinem Assistenten. Der 36jährige Lehrter, Bäckermeister und Lebensmittelingenieur, ist einer der vier Brotprüfer Deutschlands und knabbert im Auftrag des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks im ganzen Norden. Beim Test in Hamburg, an dem 19 der 96 Innungsbäckereien teilnahmen, schnitten immerhin 56 Prozent der Brote und sogar 64 Prozent der Brötchen mit der Benotung „sehr gut“ ab, wie Isensee gestern mitteilte. Weder er noch sein Assistent Stefan Thomsen, sonst überbetrieblicher Ausbilder der Bäckerinnung, wissen bei ihrer strengen Prüfung, wessen Backprodukt sie vor sich haben. Auf dem „Beipackzettel“ ist lediglich eine Bezeichnung des Brottyps und eine Nummer, an der sie erkennen können, welche Produkte aus derselben Backstube geschickt wurden.

„Der Geruch ist abgerundet“, fährt Isensee nach dem Aufschneiden fort und reicht das halbe Brot an seinen Helfer. Dann drückt er den Laib zusammen und beobachtet, wie er sich wieder in die ursprüngliche Form dehnt. Elastizität ist ein wichtiges Kriterium – wenn die nicht stimmt, wird der PH-Wert des Brotes untersucht und der Säuregehalt analysiert. „Fast alle Vollkornbrote und Brote mit hohem Roggenanteil sind Sauerteigbrote – und die schmecken nicht, wenn der Essigsäureanteil zu hoch ist. Damit versaut man das Brot“, erklärt Thomsen und ergänzt, daß der Milchsäureanteil bei 80 Prozent und der Essigsäureanteil bei 20 Prozent liegen müsse. Viele Bäckereien beachten das nicht, und „deshalb schmecken über 50 Prozent der Sauerteigbrote schlecht“. Auch allgemein unterschieden sich die anonymen Proben deutlich voneinander: „Eine Bäckerei hatte nur schlechte Sachen, da schmeckte alles scheußlich. Bei einer anderen war alles gut, echte Spitzenklasse“, berichtet Thomsen über die Geschmacksproben. Von der abgeschnittenen Scheibe, durch die die Schnittfähigkeit geprüft wird, nehmen sich die Laibertester den inneren Teil und lassen ihn, schön durchspeichelt, mit der Zunge im Mund rotieren. Dann wird nicht gespuckt, sondern geschluckt und mit etwas Wasser neutralisiert.

„Auch beim Geschmack würd' ich nichts abziehen“, befindet Isensee und gibt dem Brot damit die volle Punktzahl von 100 Punkten. Anders bei einer Bäckerei in einer schleswig-holsteinischen Justizvollzugsanstalt: Dort wurde ihm ein Brot gegeben, das „innen rosa und mit roten batikartigen Flecken durchsetzt war“. Ein Rote-Bete-Brot, wie er herausfand und nun endgültig überzeugt ist: „Rote Bete gehört nicht ins Brot. Die armen Knackis können nicht mal woanders hingehen, um Brot zu kaufen. Die werden doppelt bestraft.“