Formulare zum Verlieben

■ Das Bestätigungsinstitut Berlin bescheinigt seinen Kunden alles - vorausgesetzt, sie tragen ihr Anliegen überzeugend vor. Das Gespräch ist wichtiger als das Dokument Von Christian Domnitz

Von Christian Domnitz

Manchmal halten Passanten, die die Torstraße in Mitte entlangeilen, unvermittelt inne. Sie blicken mit großen Augen auf ein kleines Schaufenster, wollen weitergehen, schauen noch einmal zurück und bleiben dann doch lächelnd stehen. „Ein Bestätigungsinstitut – was ist denn das?“ fragt sich so mancher Flaneur.

„Wir bestätigen Ihnen alles, nur müssen Sie uns davon auch überzeugen“, erklärt Julia Avino. Sie gehört zu den sechs ehrenamtlichen Betreibern des seit zwei Monaten bestehenden Instituts. Wer dort hereinschaut, wird rund eine halbe Stunde lang gelöchert, ob das, was er vorgibt, auch wirklich stimmt. Denn das Bestätigungsinstitut Berlin vergibt zwar „Bestätigungen jeder Art“. Das Wichtigste aber ist nicht das Dokument, sondern das Gespräch – es soll Spaß machen. Bei Erfolg erhält er die Urkunde und ein Gesprächsprotokoll.

„Meist wollen die Leute von uns Charakterzüge bescheinigt haben, um die Bestätigung dann zu verschenken. Da geht es zum Beispiel um Leidenschaftlichkeit oder künstlerische Begabung“, erzält Ulli Uebachs, ein anderer der Mitarbeiter. „Wir überprüfen das dann“, versichert er. Sogar eine Verlobung hätte im Institutsbüro schon stattgefunden. Juristisch sei das ganz einfach: Es genüge, wenn ein Paar im Beisein eines Dritten die Absicht zur Heirat äußere. Das Büro ist klein und alt. Ein Tisch steht in der Mitte, zwei Stühle davor und zwei dahinter. In einer Vase steckt eine echte Lilie, die aber aussieht wie aus Plaste. Ein altes Telefon in Häßlichgrau fällt auf. Stempel, Stempelkissen, Papiere und ein Tintenfaß runden das Bild ab.

Auch Renate Israel hat es hierher verschlagen. „Ich möchte eine Bestätigung für meinen Mann“, sagt sie. Er werde in ein paar Tagen 74 Jahre alt, und ihm solle attestiert werden, daß er „Rabbiner des Bermudadreiecks“ sei. „Nun, er kann phantasievoll und fesselnd erzählen“, fügt Israel hinzu, „und das Bermudadreieck steht doch für Phantasie, weil dort soviel Irrationales passiert.“ Avino und Uebachs unterhalten sich mit der Frau aus Treptow über ihren Mann, über seinen Beruf und über seine Erfahrungen. Bis die Bestätigung fertig ist, vergeht eine halbe Stunde.

„Unsere Kunden sind sehr unterschiedlich“, bemerkt Uebachs, „mich erinnert das an meine Zeit als Taxifahrer.“ Denn wie auch beim Taxifahren lerne man sein Gegenüber allmählich kennen, sein Leben und seine Sorgen. „Beim Gespräch gehen wir auf die Leute zu“, sagt er, „wir geben ihnen Ideen und halten ihnen einen Spiegel vor.“ Und: „Nach zwei Monaten macht es uns immer noch Spaß. Das verwundert uns ein wenig.“

Der Einfall, ein solches Institut zu gründen, sei bei einer Diskussion mit Freunden entstanden. „Wir hatten den Raum schon gemietet und überlegten, was wir mit ihm denn anfangen sollten“, erzählt Institutsmitarbeiter Ulli Uebachs, der in seinem Leben „schon alles – von Mathe bis Mineralogie“ – studiert hat. „Als dann diese Idee aufkam, waren wir uns sofort einig: „Das ist es.“ Das Konzept sei ein Gegenentwurf zur Flut von Formularen, „die jeder ständig ausfüllen muß und in denen sich niemand wiedererkennt“, erklärt Avino, die früher ebenfalls studiert hat. „Inzwischen gibt es auch in Hannover und Köln Leute, die ein Bestätigungsinstitut eröffnen wollen“, erzählt sie. „Einen Dachverband für die drei Büros haben wir schon gegründet – die International Society of Verification.“