Massenmord in Afghanistan?

■ Amnesty berichtet von der Verschleppung und Ermordung Tausender Zivilisten. Taliban lassen fünf iranische Geiseln frei

London/Islamabad (dpa/AFP/ AP/taz) – Die internationale Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hat den militant- islamistischen Taliban in Afghanistan vorgeworfen, nach der Eroberung des wichtigsten Stützpunkts oppositioneller Gruppen, Mazar-e Scharif, Tausende von schiitischen Zivilisten ermordet zu haben.

Nach dem gestern in London veröffentlichten Bericht sollen dabei auch zehn iranische Diplomaten und ein Journalist umgekommen sein. Sie seien umgebracht worden, als die zur sunnitischen Richtung des Islam gehörenden Taliban-Milizen am 8. August das iranische Konsulat in Mazar-e Scharif in Nordafghanistan stürmten. Die Getöteten gehörten zu einer Gruppe von insgesamt 78 Geiseln. Inzwischen haben die Taliban fünf Iraner freigelassen, die am Donnerstag nach Pakistan ausgeflogen wurden. Der afghanische Botschafter in Pakistan sprach von einer Geste des guten Willens. Die Taliban-Führung beschuldigte Iran, die afghanische Opposition mit Geld und Waffen zu unterstützen.

In seinem Bericht beschreibt ai Einzelheiten der Entführung und Ermordung Tausender Angehöriger der mit Iran verbundenen schiitischen Minderheitsgruppe der Hazara durch die Milizen. Nach Augenzeugenberichten sollen die Taliban in den ersten drei Tagen nach der Eroberung Mazar-e Scharifs alle Hazara-Häuser durchsucht, Greise und Kinder ermordet und junge Männer verschleppt haben. Einige junge Frauen seien entführt worden, um sie mit Taliban-Kämpfern zu verheiraten. Die schiitische Sekte der Hazara steht auf seiten der afghanischen Anti- Taliban-Miliz.

Die Taliban dementieren den ai-Bericht und geben an, daß die getöteten Personen sämtlich Kämpfer gewesen seien. „Die Taliban töten niemals Frauen, Kinder oder alte Menschen“, sagte Taliban-Sprecher Abdul Mutmaen.