"Tschernomyrdin versucht Machtwort"

■ Mit einer "Wirtschaftsdiktatur" will der russische Ministerpräsident die Krise in den Griff bekommen. Rußland-Experte Hishow hält die Maßnahmen für widersprüchlich und schwammig

Ognian Hishow ist Wirtschaftswissenschaftler am Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche Studien

taz: Wiktor Tschernomyrdin hat ein neues Wirtschaftsprogramm vorgelegt. Darin fordert er eine Anbindung des Rubels an die Gold- und Devisenreserven.

Ognian Hishow: Diese „Currency Board“ genannte Maßnahme ist erst dann sinnvoll, wenn alle anderen Anläufe gescheitert sind. Der Staat verzichtet auf eine eigenständige Zinspolitik. Er darf nicht mehr einfach Geld drucken. Die Auswirkungen spüren alle. Die Beschäftigen bekommen weniger Geld. Für die Unternehmen gibt es keine Ausnahmen bei der Besteuerung mehr, die Geschäftsbanken können nicht mehr einfach Kredite vergeben.

Dem widerspricht aber die zweite Maßnahme Tschernomyrdins, der die Geldmenge „kontrolliert erhöhen“ will, um die Staatsschulden zu begleichen.

Wenn er beides fordert, versteht er nichts davon. Oder er unterstellt den Mitgliedern der Duma, daß sie nichts davon verstehen.

Der Einkommenssteuersatz soll einheitlich 20 Prozent betragen.

Das ist eine taktische Maßnahme, die vermitteln soll: Die Belastung wird für alle nicht groß. Die Frage ist, ob sich damit das Einkommen des Staates sichern läßt. Schließlich ist die Krise eine Haushaltskrise.

Die Banken sollen „zum Schutz der Kunden“ gestützt werden.

Die Geschäftsbanken haben bisher keine rühmliche Rolle gespielt und den Zusammenbruch des Finanzsystems mitverschuldet, indem sie Geld ins Ausland transferriert und auf dem Markt für kurzfristige Staatsanleihen spekuliert haben. Und sie hängen eng mit den großen Konzernen zusammen. Hier kommt der Regierungschef den Mächtigen entgegen.

Ein staatliches Alkoholmonopol soll die Einnahmen steigern.

Das ist sinnvoll. In Rußland wird nur ein Drittel der Alkoholsteuer realisiert, weil überall schwarz gebrannt wird. Bei der herrschenden Korruption wird das schwer zu kontrollieren sein.

Was bedeutet es, wenn Tschernomyrdin fordert, heimische Produkte zu unterstützen?

Hier flirtet er mit den Kommunisten, die genau das wollen.

Was ist Ihr Fazit?

Tschernomyrdin will den Eindruck vermitteln, ein Machtwort zu sprechen. Gleichzeitig will er es sich mit keiner Fraktion verderben, er macht Zugeständnisse an die Kommunisten.

Rettet das Programm Rußland?

Dazu ist es zu schwammig – außer bei der Entscheidung für das Currency Board. Aber das muß Tschernomyrdin erst durchsetzen. Interview: Beate Willms