Druck auf Kriegsflüchtlinge soll zunehmen

■ Der Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung, Dietmar Schlee, und der bayerische Innenminister Günther Beckstein wollen die Rückführung bosnischer Flüchtlinge forcieren. Beide wiesen die US-Kritik

Nürnberg (taz) – Als „ungerecht, unberechtigt und nicht nachvollziehbar“ wies der Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung, Dietmar Schlee, die Kritik insbesondere von US-Außenministerin Madeleine Albright an der deutschen Behandlung bosnischer Flüchtlinge zurück. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) verlangte in Nürnberg, wo er zusammen mit Schlee die Rückkehr der Flüchtlinge bilanzierte, „mehr Selbstbewußtsein“ im Umgang mit den USA. „Die, die in der Not am meisten geholfen haben, haben auch das Recht, dies jetzt zu beenden“, betonte er und kündigte eine verstärkte Rückführung bosnischer Flüchtlinge an.

Von den insgesamt 350.000 Bürgerkriegsflüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind, sind nur noch knapp 120.000 im Land. Die Mehrzahl kehrte freiwillig zurück, 1.300 Bosnier wurden abgeschoben. Knapp die Hälfte der Abschiebungen sind das Werk bayerischer Behörden. 547 Bosnier wurden von der Polizei eskortiert in Flugzeuge gesetzt und zumeist nach Sarajevo ausgeflogen. „Wenn einer partout nicht zurück will, muß das doch möglich sein“, verteidigte Schlee diese Praxis. „Wir setzen auf freiwillige Rückkehr und unterstützen diese durch punktuelle Abschiebungen“, formulierte Beckstein die bayerische Linie. Gerade die jüngsten Abschiebungen aus Berlin hatten die US-Außenministerin sowie den US-Sonderbotschafter für das frühere Jugoslawien, Robert Gelbhard, auf den Plan gerufen. Gelbhard warnte davor, daß eine „erzwungene Repatriierung durch Deutschland Bosnien destabilisieren und zu einer neuen Flüchtlingsflut nach Deutschland führen“ könnte. Albright fand es schlichtweg „unverantwortlich, die Flüchtlinge zur Rückkehr dorthin zu zwingen, wo es keine Sicherheit, keine Wohnungen und keine Arbeit gibt“.

Es sei doch „lächerlich, daß in Sarajevo alles drunter und drüber gehen soll“, konterte Schlee. Auch in der serbischen Republik Srpska, von wo die meisten noch in Deutschland lebenden Flüchtlinge kommen, habe sich die Lage „stabilisiert“. Deswegen werde die Rückführung in dem Tempo wie bisher weitergehen. „Irgendwann hat die Gastfreundschaft ein Ende, und das ist jetzt nun wirklich erreicht“, betonte Schlee. Beckstein sekundierte, daß jetzt „jeder seine Rückkehr zu planen“ habe.

Beckstein behauptete gestern, daß die „großen USA nicht einmal so viele Flüchtlinge aufgenommen hätten wie die Landeshauptstadt München“. Bayern habe mit 65.500 Flüchtlingen mehr aufgenommen als jedes andere Bundesland, habe damals die Einreise der Flüchtlinge auch ohne Krankenversicherungsnachweis erlaubt, gebe praktische Einzelhilfen und habe von Anfang an sehr viel großzügiger den Flüchtlingen die Erwerbstätigkeit gestattet als andere Bundesländer. Daraus leitete er ebenso wie Schlee das Recht ab, diese Phase nun zu beenden.

Am 30. September laufen die Rückkehrhilfen von bis zu 1.000 Mark pro Person aus. Beckstein rechnet damit, daß sich Ende 1998 noch knapp 10.000 bosnische Flüchtlinge in Bayern aufhalten werden. Wenn diese Entwicklung einträfe, dann könne man „auch auf Massenabschiebungen verzichten“. Bernd Siegler