Bayerisches Gericht hilft „Mehmet“

■ Bayerischer Verwaltungsgerichtshof gibt Eilbeschluß statt. Ausweisung des Serientäters „Mehmet“ gestoppt. CSU ist empört

München (taz) – Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat gesprochen. „Mehmet“ darf vorerst bleiben, und die Münchener CSU bekommt es mit der Angst zu tun. In einer Presseerklärung der Stadtratsfraktion hieß es gestern, der „jugendliche Schwerkriminelle“ dürfe in München „weiterhin rauben, prügeln, erpressen, nötigen, Nasenbeine brechen, Erzieher würgen usw. usw.“.

Tatsächlich befindet sich „Mehmet“ gerade in Untersuchungshaft, und ob er jemals wieder die Straßen seines Heimatviertels München-Neuperlach unsicher machen wird, ist sehr unsicher. Zunächst steht nur eines fest: auf die Art und Weise, wie ihn die CSU und speziell der Ex-Münchener Kreisverwaltungsreferent Hans- Peter Uhl, später aber auch die Stadtrats-SPD, loswerden wollte, geht es nicht. Uhl hatte in einem bundesweit einmaligen Verfahren die unbescholtenen türkischen Eltern des seinerzeit strafunmündigen Jungen ausweisen wollen, weil sie in seinen Augen durch die fehlgeschlagene Erziehung „Mehmets“ eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten. Als Minderjähriger hätte „Mehmet“ dann auch das Land verlassen müssen. Das Gericht stellte in seinem Eilbeschluß klar, was „Mehmets“ Anwalt Alexander Eberth gegen einen immer stärker werdenden Sturm der öffentlichen Empörung über den Neuperlacher Schläger gepredigt hatte: Das Verhalten des Sohnes kann den Eltern nicht angerechnet werden. „Das Unvermögen, ein Kind zu einem anständigen Menschen zu erziehen“, so das Gericht, sei kein „schwerwiegender Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.“ Da „Mehmet“ wegen der von ihm unstreitig begangenen Straftaten bisher nicht rechtskräftig verurteilt worden sei, dürfe er als Minderjähriger nach dem Ausländergesetz nur ausgewiesen werden, wenn sich seine Eltern „nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten“.

Über „Mehmets“ Zukunft ist damit freilich noch nicht entschieden: ob er mit seinem bekannten Gefahrenpotential eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen kann, sei „in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden“. Auch die Ausweisung seiner Eltern ist bisher nur bis zur Entscheidung im Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgesetzt. Derweil hat die CSU das Vertrauen in die Gerichte verloren: „Wer die Gepflogenheiten unseres Rechtssystems kennt, wird sich kaum der Illusion hingeben dürfen, daß der jugendliche Verbrecher für spürbare Zeit aus dem Verkehr gezogen wird“, heißt es in der Presseerklärung des Vorsitzenden der CSU-Stadtratsfraktion Hans Podiuk – und das ist durchaus ernstzunehmen. Wer die Münchener CSU kennt, weiß, daß man dort sehr gut mit den Gepflogenheiten der Strafjustiz vertraut ist. Den Wahlkämpfern Theo Waigel und Edmund Stoiber kann „Mehmets“ weitere Anwesenheit indes nur recht sein, ernten sie doch bei Erwähnung des Namens in Wahlkampfreden bei Anhängern den meisten Applaus. Bei der Münchener SPD möchte man zunächst den weiteren Verfahrensverlauf abwarten, tut sich in der Bewertung des Falles aber nach wie vor schwer. Zwar war auch der Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) Anfang Juli nach langem Schweigen grundsätzlich auf die populistische Linie der CSU eingeschwenkt, die Stadträtin Constanze Linder-Schädlich (SPD) ist heute aber zunächst einmal froh, „daß es eine grundsätzliche Entscheidung zur Abschiebung von Minderjährigen und deren Eltern“ gibt. Aber sollte „Mehmet“ tatsächlich in die Türkei abgeschoben werden? „Das ist doch auch nicht seine Heimat.“

Allein die Grünen sehen sich bestätigt: Die Entscheidung sei „eine deftige Watschn für die CSU“, und dem Verwaltungsgerichtshof sei zu danken, daß er auch in aufgeheizter Atmosphäre nüchtern und sachlich bestehendes Recht angewandt habe. Stefan Kuzmany