Rot-Grün als Schreckgespenst

■ CDU-Sonderparteitag in Mercedes-Benz-Niederlassung geriet zu inhaltsleerem Wahlkampfspektakel. "Marzahner Erklärung" verabschiedet. Warnung vor einer "Linksallianz"

Hinter der silbern glänzenden Fassade der Mercedes-Benz-Niederlassung in Marzahn veranstaltete die CDU am Samstag einen Sonderparteitag, der zu einem inhaltsleeren Wahlkampfspektakel geriet. 398 Delegierte waren in die von Daimler-Benz kostenlos zur Verfügung gestellte Verkaufshalle gekommen. Im Hintergrund parkten Wagen der A- und E-Klasse; im Mercedes-Shop waren Elche als Stofftiere ausgestellt.

Höhepunkt war die einstündige Rede des Vorstandsvorsitzenden der Jenoptik AG, Lothar Späth, der vor kurzem zum Kanzlerberater für Wirtschaftsfragen avancierte. Späth sprach zur wirtschaftlichen Lage in den neuen Bundesländern und bekam für seine anekdotenreiche Rede stehende Ovationen. Zuvor hatten der Generalsekretär der CDU, Volker Liepelt, und der Parteivorsitzende Eberhard Diepgen vor einer „Linksallianz“ gewarnt. Der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder bleibe eine Antwort darauf schuldig, warum eine Koalition zwischen SPD und PDS auf Länderebene moralisch nicht bedenklich, im Bund aber unmoralisch sei, so Diepgen.

Auch die von den Delegierten verabschiedete „Marzahner Erklärung“ mit dem Titel „Das neue Berlin – stark für Deutschland“ hat eine rot-grüne Regierung zum Schreckgespenst erster Güte erkoren. Zum Gruselrepertoire gehört die Behauptung, eine rot-grüne Regierung würde verhindern, daß Unternehmen und Verbände ihre Zentralen nach Berlin verlegen. Rot-Grün würde außerdem die Modernisierung des Olympiastadions vereiteln. Zur Ausländerpolitik heißt es in der Erklärung, daß Integration „keine Einbahnstraße“ sein dürfe. Straffällige Ausländer müßten das Land verlassen. „Wir wollen keine multikriminelle Gesellschaft“ – ein Begriff, den übrigens auch die „Republikaner“ verwenden.

Zuvor hatte die CDU den Saal in Disco-Stimmung versetzt und die Nebelmaschine angeworfen. Zum Hit „Sing halleluja“ schritten die Bundestagskandidaten auf die Bühne, wo sie kurz vorgestellt wurden. Die frühere Bürgerrechtlerin Angelika Barbe pries der Moderator an: „Auch sie genießt die Einheit in vollen Zügen.“ Nur Joachim Feilcke, der von Union-2000-Kandidaten um seinen sicheren Listenplatz gebracht wurde, „konnte leider nicht kommen“.

Die Auseinandersetzung zwischen Diepgen-loyalen Kräften und den Diepgen-Kritikern der Union 2000 hatte auch im Vorfeld des Parteitags eine Rolle gespielt. Ursprünglich war die Versammlung als Jugendparteitag mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit geplant worden. Dann sollte es ein Wahlparteitag werden, auf dem keine Anträge beraten werden. Dann trudelten doch zahlreiche Anträge ein, teils von den Diepgen-Kritikern aus der Union 2000. Sie hatten den Parteitag zur Sacharbeit nutzen wollen und forderten unter anderem die umstrittene Einrichtung eines Bundeskulturministeriums.

Nach langem Hin und Her beschloß die Antragskommission, die Anträge – schon aus Zeitmangel – nicht auf dem Parteitag zu beraten, sondern in die Parteigremiem zu überweisen. So endete der Parteitag, der sonst stets verläßlich um 18 Uhr mit dem Singen der Nationalhymne endet, bereits eine halbe Stunde früher. Dorothee Winden