Der V-Mann war Stasi-Mitarbeiter

■ Innenstaatssekretär Kuno Böse hatte Beschäftigung abgesegnet. Mindestens zwei weitere Stasi-Mitarbeiter beim Verfassungsschutz

Innensenator Jörg Schönbohm und Staatssekretär Kuno Böse (beide CDU) kommen wegen eines weiteren Verfassungsschutzskandals zunehmend unter politischen Druck. Nach einem Bericht des Spiegel sind „mindestens drei ehemalige Stasi-Mitarbeiter“ für das Landesamt für Verfassungsschutz tätig. Der Innensenator will die Vorwürfe prüfen lassen und hofft, „daß es weniger als ein halbes Dutzend sind“.

Auch der V-Mann, aufgrund dessen Aussage der leitende Polizeibeamte Otto D. Ende März fälschlicherweise als Mitglied von Scientology eingestuft wurde, ist ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Das entsprechende Behördenzeugnis des Landesamtes mußte im Juli widerrufen werden.

Der für den Verfassungsschutz zuständige Innenstaatssekretär Kuno Böse war über die Stasi-Vergangenheit des V-Mannes mit dem Decknamen „Junior“ informiert. Er hatte dessen Beschäftigung nach einer Einzelfallprüfung im November 1997 zugestimmt. Schönbohm, der von der Stasi- Vergangenheit des V-Mannes erst im Zusammenhang mit dem Fall D. erfahren haben will, hält die Entscheidung für „eine Grenzfrage.“

Eine weitere Anwerbung eines früheren Stasi-Mannes liegt laut Spiegel zwei Jahre zurück. Dem Nachrichtenmagazin zufolge gelten zwei Stasi-Offiziere „intern als ordentlich ausgebildete Nachrichtendienstler, die präzise Berichte verfassen“.

Renate Künast, grüne Abgeordnete im Verfassungsschutzausschuß des Parlaments, warf Schönbohm gestern vor, den Ausschuß nicht von sich aus über die Stasi- Vergangenheit des V-Mannes informiert zu haben. Daß dies bekanntwurde, ist vielmehr einer Panne des Verfassungsschutzes zu verdanken: In den Akten, die den Ausschußmitgliedern im Fall Otto D. zur Einsicht vorgelegt wurden, waren versehentlich drei Worte nicht geschwärzt worden.

Künast sprach sich grundsätzlich gegen die Verwendung früherer Stasi-Mitarbeiter beim Verfassungsschutz aus. „Es kann nicht sein, daß wir mit Stasi-Spitzeln die Verfassung der Bundesrepublik schützen.“ Innensenator Schönbohm müsse dazu „klare Vorgaben“ machen. Künast bezweifelte die Darstellung von Schönbohm, wonach Verfassungsschutzchef Eduard Vermander, die anderen Fälle der Innenverwaltung nicht zur Prüfung vorgelegt habe.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, erklärte, das Landesamt sei nur noch durch eine „radikale Umorganisation“ zu retten. Das Amt benötige wissenschaftlich geschultes Personal, das Material auswerte und veröffentliche. Es dürfe keine Geheimorganisation sein, es müsse „ein anderer Geist einziehen“.

Der Polizeibeamte Otto D. äußerte sich gegenüber dem SFB entsetzt. Es sei unfaßbar, daß ein führender Polizist von einem früheren Stasi-Mitarbeiter bespitzelt werde.

Innensenator Jörg Schönbohm will am Donnerstag vor dem Verfassungsschutzausschuß berichten – allerdings nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Dorothee Winden