Baskisch und brachial

■ Javier Clemente will trotz eines 2:3 in Zypern spanischer Nationaltrainer bleiben

Madrid (taz) – Die Schlagzeilen sind mehr als deutliche: „Wir schämen uns für euch“, titelt die spanische Sportzeitung AS nach der 3:2- Niederlage der iberischen Elf im EM-Qualifikationsspiel gegen den Fußballzwerg Zypern. Die größte Tageszeitung Spaniens, El Pais, spricht von der „schwärzesten Stunde des spanischen Fußballs“, Marca findet das ganze „einfach lächerlich“ und El Mundo Deportivo zeigt ein Foto von Javier Clemente mit einem unzweideutigen „Hau ab!“ Der Trainer schert sich einen Dreck darum. Er will „weiterhin kämpfen“.

„Der spanische Fußball vertraut weiterhin auf Clemente. Wir werden die Niederlage nicht bewerten“, nahm Angel Villar, Präsident des spanischen Fußballverbandes, den angeschlagenen Nationaltrainer noch in der Nacht nach der Niederlage in Nikosia vor Presse und Fans in Schutz, die Clemente schon längst überhaben.

Wie sein deutscher Kollege Berti Vogts fiel auch der spanische Coach bei Blitzumfragen nach der WM in Frankreich immer wieder haushoch durch. Doch trotz des glanzlosen Ausscheidens der spanischen Elf nach der Vorrunde beschied der Verband: Clemente beendet seinen Vertrag ordnungsgemäß nach der EM 2000 in Holland.

Clemente trainiert seit 1992 die spanische Nationalelf. Seit 1992 reißt die Kritik an ihm nicht ab. Zu wenig technisch ausgefeilt sei das, was die Nationalmannschaft biete. Arrogant und selbstgefällig treffe Clemente eine umstrittene Entscheidung nach der anderen. Immer wieder mußten Stars zu Hause bleiben. Spieler, die in den eigenen Clubs nie die Ersatzbank verlassen haben, reisten statt dessen mit zu den Begegnungen. Statt spielerischem Zauber baskischer Brachialfußball, wie ihn Clemente im britischsten aller spanischen Clubs, dem Athletic de Bilbao als Spieler einst gelernt hat. Außer einem Olympiasieg 1992 in Barcelona blieb Clementes Elf erfolglos. Zwar gingen die Spanier immer wieder als Geheimtip ins Rennen, doch wenn es dann galt, versagten sie. Seit Frankreich scheint das Selbstvertrauen der Spieler endgültig dahin. Trotzdem ist die Niederlage gegen Zypern, ein Team, bei dem zwei Spieler einen Profivertrag besitzen, der bisherige Tiefpunkt in Clementes Schaffen.

Anders als sein deutscher Kollege Vogts kann der Baske nicht einmal eine Erneuerung der Mannschaft versprechen, denn mit Raul, Morientes, Sergi, Enrique oder Kiko hat er ausreichend Weltklassespieler zur Verfügung. Clemente scheinen die Ideen längst ausgegangen zu sein. „Hätte ich das Spiel noch einmal vor mir, würde ich acht Verteidiger aufstellen“, bestätigte er seine Einfallslosigkeit. Reiner Wandler