„Der Senat will seine Bürger entmündigen“

■ Staatsräte zeigen Initiative für einfacheren Volksentscheid rote Karte / Senat äußert Verfassungssungs-Bedenken / Antragsteller: „Eine Ohrfeige für die Demokratie“

Die Bremer Staatsräte haben das Volksbegehren „Mehr Demokratie“ abgelehnt. Heute muß die Senatskonferenz entscheiden. Da in dieser Runde ebenfalls mit einem negativen Votum zu rechnen ist, muß abschließend der Staatsgerichtshof über die Initiative urteilen. Der Verein „Mehr Demokratie“ versucht mit dem angestrebten Volksbegehren die Hürden für eben solche zu senken, um BürgerInnen stärker am demokratischen Prozeß zu beteiligen.

Mehrere Punkte in dem Antrag verletzen nach Meinung einer Senats-Arbeitsgruppe „geschriebenes Verfassungsrecht und ungeschriebene Prinzipien der Landesverfassung“. Diese Grundsätze würden „einer Änderung auch durch den unmittelbar entscheidenden Souverän“ – das Volk – entzogen.

Besonders in drei Punkten des „Mehr-Demokratie“-Antrags sehen die verschiedenen Senatsressorts Probleme – in den Hürden für künftige Anträge, der Finanzhoheit sowie der Gesetzgebungshoheit der Bürgerschaft. So will die Initiative „Mehr Demokratie“ die Hürden für Volksbegehren und -entscheid senken. Demnach sollen fünf Prozent der bei der letzten Bürgerschaftswahl abgegebenen Stimmen für ein Volksbegehren reichen – zehn Prozent, wenn es sich um eine Verfassungsänderung handelt. Bei der endgültigen Abstimmung, dem Volksentscheid, soll dann die einfache Mehrheit ausreichen. Das bezeichnet die Senats-Arbeitsgruppe als „mit der Herrschaft der Mehrheit in der Demokratie“ nicht vereinbar.

Ralph Kampwirth von „Mehr Demokratie“ bezeichnete dies gestern „als eine Ohrfeige für alle Bremer und Bremerinnen.“ Er verweist darauf, daß in Schleswig-Holstein, Brandenburg oder sogar Bayern die Klauseln ähnlich niedrig lägen, wie jetzt gefordert. Alle zehn in dem Freistaat erfolgreichen Volksentscheide seien in Bremen nicht möglich gewesen. Zudem gelte auch bei Wahlen das einfache Mehrheitsprinzip. Kampwirth weiter: „Der Senat will die Bürger stattdessen entmündigen.“

Zum Thema Finanzhoheit der Bürgerschaft führt die Senats-Arbeitsgruppe aus, daß Volksentscheide diese nicht antasten dürfen, weil „die Bürgerschaft gezwungen würde, erst die finanziellen Folgen von Volksentscheiden zu bewältigen, bevor sie eigene Vorstellungen über die Verwendung öffentlicher Gelder realisieren könnte“. Kommentar Kampwirth: Damit werde den BürgerInnen unterstellt, verantwortungslos mit den Staatsfinanzen umzugehen. „Dabei sind allein die Politiker verantwortlich für das riesige Haushaltsdefizit.“

Allerdings verweist die Senatsvorlage auf zwei Beispiele. Das in Bremen abgelehnte Volksbegehren zur Gewoba hätte den Haushalt mit mehreren hundert Millionen Mark belastet. Die Begehren zur LehrerInnen- und Schulraumversorgung hätten sogar langfristig mindestens 5,4 Milliarden Mark gekostet. Laut Kampwirth hätte sich dies aber über Jahre erstreckt. „Und wer sagt eigentlich, daß die Bremer dem zugestimmt hätten?“

Was Kampwirth jedoch besonders an der Senatsvorlage ärgert, ist ein Passus zum gleichen Vorhaben von „Mehr Demokratie“ in Hamburg. So heißt es in der Senatsvorlage, daß der Verein in Hamburg einen „rechtlich unproblematischen Antrag“ vorgelegt habe. „Das ist absurd, da die Anträge in Bremen und Hamburg quasi gleichlautend sind“, so Kampwirth. Im Justizressort wollte man sich dazu gestern nicht äußern. Jeti