Aufschwung aus dem Reagenzglas

Heute wird das gentechnologische Gründerzentrum in der Krankenhausstadt Buch eröffnet. 20 Betriebe mit 200 Jobs. Peter Bendzkos Firma Invitec entwickelt dort gentechnologische Verfahren zur Krebsfrühdiagnose. Er profitiert von der Nähe zu den Kliniken  ■ Von Hannes Koch

1992 begann der Biochemiker Peter Bendzko mit fast nichts – außer einer Idee. Er mietete ein paar Räume in einer Baracke, lebte von seinen Ersparnissen und mußte entdecken, daß sein ursprüngliches Konzept nicht funktionierte. Erst öffentliche Förderung half Bendzko noch über die Klippe, bis er 1994 schließlich sein erstes Produkt verkaufte: ein gentechnisches Diagnoseverfahren, um Krebs in frühem Stadium zu erkennen. Heute beschäftigt Bendzkos Firma Invitec 16 Leute und macht zwei Millionen Mark Jahresumsatz.

Eine Gründergeschichte, von der Berliner Politiker immer träumen. Zugetragen hat sich die glückliche Existenzgründung des Gentechnologen Bendzko im Biomedizinischen Forschungscampus Berlin-Buch. Dort ist der Firmenchef unlängst in einen renovierten 20er-Jahre-Bau umgezogen, der heute als „Innovations- und Gründerzentrum“ eröffnet wird.

Die Laborgebäude des Forschungscampus liegen malerisch inmitten eines Waldes am Rande der Krankenhausstadt Buch. Größenteils von Bund und Land, zu einem kleineren Teil vom Pharmakonzern Schering finanziert, kann der Campus als Beispiel für eine funktionierende High-Tech- Förderung gelten. Rund 20 Kleinunternehmen mit 200 Arbeitsplätzen forschen, entwickeln und produzieren in Sachen gentechnologische Medizin. Aus Projekten wie diesem einen „Gründerboom“ ableiten zu wollen, der den Aufschwung der wirtschaftlich notleidenden Region in greifbare Nähe rückt, wäre aber verfrüht. Denn die Kleinbetreibe haben nur wenige Arbeitsplätze vorzuweisen. Eine Handvoll Gentech-Gründer gleicht nicht Hunderttausende Stellen aus, die in der Industrie seit 1990 vernichtet wurden.

Für sich genommen allerdings erscheint das Konzept von Buch zukunftsweisend. Für Peter Bendzko etwa bietet die räumliche Nähe zum öffentlich finanzierten Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin durchaus Vorteile. „Patientenmaterial wird sonst wie Goldstaub gehandelt“, meint der Biochemiker. Hier sind Blut, Serum und Gewebe dagegen billig und praktisch bei den umliegenden Kliniken zu bekommen. Menschliches Erbmaterial günstig erhalten zu können ist für Invitec äußerst wichtig. Denn der Rohstoff stellt die Basis dar für die Entwicklungen der Firma.

Bendzko und seine MitarbeiterInnen haben inzwischen 60 verschiedene Reinigungsverfahren im Angebot, mit denen jeweils ein Gen oder ein Genabschnitt aus der Erbmasse isoliert werden können. Darauf baut eine Methode auf, Veränderungen der genetischen Informationen zu analysieren. Stellen die Medizintechnologen zum Beispiel Mutationen beim sogenannten K-rass-Gen fest, das sie von Patienten bekommen haben, lautet ihre Diagnose: Krebs der Bauchspeicheldrüse wird mit 80prozentiger Wahrscheinlichkeit eintreten. Die Isolierungs- und Diagnoseverfahren verkauft Invitec unter anderem an die Kliniken in Buch. So ist dort ein erstes Netzwerk ökonomischer Beziehungen entstanden, auf dessen Basis die Gründerbetriebe weiter wachsen wollen. Man beliefert sich auch gegenseitig: Bendzko etwa bezieht von einem Nachbarn auf dem Campus einen Teil des Untersuchungsinstrumentariums. Kostensenkend macht sich im übrigen bemerkbar, daß immer mal wieder stipendienfinanzierte Doktoranden aus den Kliniken als billige Arbeitskräfte bei Invitec einsteigen. Der indirekten Förderung durch den Staat gibt es noch mehr: Die Miete im bestens ausgestatteten Gründerzentrum subventioniert das Land auf 8,45 Mark pro Quadratmeter herunter. Mittlerweile dürften sich die Finanzspritzen aus öffentlichen Kassen zu einem dreistelligen Millionenbetrag summiert haben.

Angesichts dieser Dimensionen und der damit geschaffenen 200 Jobs ist sich der grüne Wirtschaftspolitiker Vollrad Kuhn nicht ganz sicher, ob sich der „Einsatz der Mittel lohnt“. Nicht nur der Senat will mit Gentechnik und medizinischer Forschung die Zukunft packen. Auch die brandenburgische Landesregierung fördert ähnliche Forschungs- und Gewerbegebiete in Teltow, Hermannswerder und Luckenwalde. Die Kooperation zwischen den einzelnen Projekten fällt aber bis heute sehr dürftig aus. „Stückwerk und Konkurrenz“ nennt Kuhn das Nebeneinander der Wirtschaftspolitik beider Länder. Die Gentech-Arbeitsplätze werden erst dann zu einem wirklichen Faktor in der gebeutelten Region, wenn stabile Liefer- und Verkaufsbeziehungen auch zwischen den verschiedenen Gründerparks aufgebaut sind.