Gitterphobie ist heilbar

■ Psychiater sieht gute Heilungschancen für pensionierte Gefängnismitarbeiter. Doch Reaktivierungen sind selten. Ehemaliger Knastaufseher soll heute Fitneßstudio betreiben

Die jungen Gefängnisaufseher, die aus Angst vor den Arbeitsbedingungen in Haftanstalten dienstunfähig geworden sind, haben gute Heilungschancen. Wie die taz berichtete, ist die Zahl der vorzeitig pensionierten Justizvollzugsbeamten unter vierzig Jahren in den letzten Jahren stark angestiegen. Die Gründe für den frühzeitigen Ruhestand waren vor allem psychische Probleme.

„In achtzig Prozent der Fälle“, so Michael Linden, Leiter der Psychiatrischen Poliklinik der Freien Universität Berlin, „können diese Angststörungen erfolgreich behandelt werden.“ Maximal 45 Stunden dauere eine Behandlung. Würde frühzeitig mit einer Therapie begonnen, könne sogar innerhalb von zehn Behandlungsstunden eine Berufsfähigkeit wiederhergestellt werden, so Lindner. Am effektivsten sei die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie. In Gesprächen mit einem Therapeuten lernen die Betroffenen mit der Angst vor Gittern, verschlossenen Räumen und Inhaftierten umzugehen. Es sei allerdings nicht in allen Fällen möglich, die Beamten wieder in den usprünglichen Dienst aufzunehmen, sagte Linden.

Der SPD-Abgeordnete Jutta Hertlein liegen unterdessen Informationen vor, die nahelegen, daß einige Jusitzbeamte eine psychische Erkrankung nur vortäuschen. Mindestens einer der Frühpensionäre erfreue sich heute bester Gesundheit. Er soll inzwischen ein Fitneßstudio betreiben.

Dies konnte von der Justizverwaltung gestern nicht bestätigt werden. Justizsprecherin Svenja Schröder wies darauf hin, daß für eine vorzeitige Pensionierung das Gutachten eines Amtsarztes vorliegen müsse, welches dann auch nicht angezweifelt werde. Seit längerer Zeit würden in den Justizvollzugsanstalten Begehungen mit Amtsärzten durchgeführt, damit diese sich ein Bild vom Dienstalltag der Gefängsniswärter machen könnten. Die vorzeitig pensionierten Ex-Aufseher kehren in der Regel überhaupt nicht mehr in den Staatsdienst zurück. Schröder bestätigte der taz, daß dies nur in „seltenen Einzelfällen“ geschehe. Genaue Zahlen lägen nicht vor. Eine Umschulung der Beamten sei nicht möglich, so Schröder, da aufgrund von Personalüberhang kein Bedarf in anderen Abteilungen bestehe. Thomas Müller