Granatanschlag auf Kambodschas Regierungschef

■ Unbekannte werfen zwei Sprengsätze auf die Residenz von Hun Sen. Der läßt einen seiner ärgsten Widersacher verhaften und droht, eine Oppositionskundgebung auflösen zu lassen

Bangkok (taz) – Handgranaten als Mittel politischer Auseinandersetzung sind zur bösen kambodschanischen Spezialität geworden: Nachdem Unbekannte gestern zwei Sprengkörper gegen das Stadthaus von Premierminister Hun Sen warfen, hat der Regierungchef den Oppositionspolitiker Sam Rainsy beschuldigt, ihn töten zu wollen, und seine Verhaftung angeordnet. Sam Rainsy wies die Vorwürfe zurück. Bei der Explosion wurde niemand verletzt.

Erst kürzlich war während einer Protestveranstaltung Sam Rainsys eine Granate vor das Innenministerium geschleudert worden und hatte einen Mann getötet. Vergangenes Jahr starben 16 Menschen bei einer ebenfalls von Sam Rainsy organisierten Kundgebung, nachdem drei Granaten in die Menge geworfen worden waren. Bislang sind in keinem Fall Täter gefaßt oder vor Gericht gestellt worden. Regierung und Opposition werfen sich gegenseitig vor, hinter den Anschlägen zu stecken.

Premier Hun Sen hielt sich gestern in der Stadt Siem Reap auf, als sein Haus im Zentrum Phnom Penhs angegriffen wurde. Als er von dem Anschlag erfuhr, kehrte er sofort in die Hauptstadt zurück. Militärpolizei riegelte das Gebäude ab. Laut Polizeiangaben warfen die Täter zwei Granaten über das vier Meter hohe Gatter, die kurz darauf explodierten. Später sei ein dritter Sprengsatz, der nicht detoniert sei, außerhalb der Residenz gefunden worden. Die Polizei suchte mit Metalldetektoren nach weiteren Granaten.

Unter der Leitung von König Norodom Sihanouk hatte Hun Sens „Kambodschanische Volkspartei“ seit Samstag mit Vertretern der beiden großen Oppositionsparteien über einen Ausweg aus der verfahrenen politischen Situation verhandelt. Anscheinend waren diese Gespräche jedoch so wenig erfolgreich, daß der König mit der Abdankung drohte. Wie ernst er das meint, ist unklar – der 75jährige Sihanouk wollte in der Vergangenheit schon häufiger vom Thron steigen.

Prinz Ranariddh und Sam Rainsy weigern sich strikt, die offiziell verkündeten Ergebnisse der Wahlen vom 26. Juli anzuerkennen, und werfen der Regierung schwere Wahlfälschungen und Manipulationen bei der Verteilung der Sitze vor.

Nach seiner Rückkehr aus Siem Reap kündigte der Premier zudem an, er werde eine von Sam Rainsy organisierte Kundgebung vor dem Parlament bis Montag um Mitternacht auflösen lassen. Er forderte ausländische Diplomaten auf, Sam Rainsy keinen Unterschlupf zu gewähren.

Seit über einer Woche kampierten Tausende auf dem Platz. Rainsy hatte immer wieder scharfe Reden gegen die Regierung gehalten und dabei auch nicht davor zurückgeschreckt, Soldaten zum Aufruhr gegen Hun Sen anzustacheln oder – nach eigenen Angaben im Scherz – die Amerikaner aufzufordern, Raketen auf Hun Sens Haus zu richten.

Vertreter der UNO hatten sich beschwert, nachdem Rainsy mit Hetzreden gegen die vietnamesische Minderheit herzog. Drei Vietnamesen wurden kürzlich mitten in Phnom Penh am hellichten Tag von einer wütenden Menge erschlagen. Jutta Lietsch