Gesucht: Junge EDV-Spezialistin nördlich von München

■ Wer auf der Suche nach einem gutbezahlten neuen Betätigungsfeld ist, sollte in den Süden blicken, unter 35 Lenze zählen und etwas von Graph-Grammatiken im Compiler-Bau verstehen

Daß man jedes Jahr älter wird, merkt man nicht unbedingt am Geburtstag. Man bekommt nur mit, daß die Jüngeren im Fernsehen moderieren, daß schon Jungs Abteilungsleiter in der Bank werden. Ein Mann um 35, eine Frau, die nach der Babypause einen neuen Job sucht? In diesen Alterssegmenten zählt die Statistik die meisten arbeitslosen Menschen. Man muß schon verdammt dynamisch, qualifiziert und womöglich auch noch blond sein, um nicht durch das Jobraster zu fallen.

Wer im Internetangebot SID der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg nach einer Stelle forscht, weiß eines sofort: Das wahre Leben funktioniert nicht wie in der Seifenoper. Wer gestern bei SID als Journalistin eine Stelle suchte, dem wurden fünf Chancen offeriert, sofern man jünger als 35 ist. Ältere dürfen sich dagegen nur auf drei Angebote bewerben. Auffallend, daß vier der fünf Jobs im Süden der Republik angeboten werden – darunter das verlockende Angebot, als Pressesprecher für Tiger und Löwen bei einem in Bamberg inserierenden Zirkus eine neue Karriere zu starten.

Der Süden bingt's eh. Freising heißt der Ort, wo die Zitronen blühen. Das dortige Arbeitsamt, knapp 30 Kilometer vom Münchner Stadtzentrum entfernt, meldet für den Juli eine Erwerbslosenquote von 3,8 Prozent. Das ist bundesweite Spitze! Sangerhausen in Sachsen-Anhalt, das Städtchen nahe des Kyffhäusers, liegt mit einer Quote von 22,4 Prozent am Ende. Auch im Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitslosenmeldungen schneiden südliche Länder eindeutig besser ab. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern führen die Hitliste an, Bremen, Schleswig- Holstein und Berlin bilden dagegen das Looser-Trio. Fazit: Meiden Sie von Großen Koalitionen regierte Bundesländer (Berlin, Bremen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern)!

Welche Branchen bieten die tollen Jobs? Antwort der Experten der Bundesanstalt für Arbeit: der EDV-Bereich. „Explodiert“ sei 1997 die Zahl der Stellenangebote für Fach- und Führungskräfte in diesem Bereich, analysieren die Arbeitsmarktforscher. Zum Jahresende registrierten sie 3.500 offene Stellen, 87 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Arbeitslosen blieb das gesamte Jahr über konstant bei 2.500. Allerdings sollten Sie schon unter 35 sein, sonst sieht's auch hier zappenduster aus. Und: Noch nie hatten Frauen in EDV-Berufen so gute Chancen wie heute. Firmen suchen gezielt nach ihnen. Glaubt man der Frauenzeitschrift Brigitte, hängt dies mit dem Wesen der Frau an sich zusammen: Frauen, die sich einmal für einen Computerjob entschieden haben, arbeiten wesentlich pragmatischer und zielgerichteter als ihre männlichen Kollegen. Tip der Experten: Frauen sollten mehr Mut zum Risiko zeigen und auch des Jobs wegen mal einen Ortswechsel in Kauf nehmen.

Männer bauen Autos: Die Branche boomt. Im vergangenen Jahr wurden 25.000 Arbeitskräfte neu eingestellt. Rund 15.000 neue Stellen bei Herstellern und Zulieferern erwarten Experten des Münchner Ifo-Instituts in diesem Jahr. VW in Wolfsburg stellte in den ersten beiden Monaten des Jahres 2.000 neue Kräfte ein. Wer allerdings auf einen Dauerarbeitsplatz spekuliert, ist schief gewickelt. 45 Prozent der 25.000 Neueingestellten im Jahre 1997 erhielten erst einmal nur einen befristeten Vertrag.

Die umstrittene Zeitarbeitsbranche hält besonders viele Job- Möglichkeiten bereit. Auch hier soll in den kommenden Jahren mit einem gigantischen Wachstum zu rechnen sein. Im vorigen Jahr lag die Beschäftigtenzahl bei 180.000, in diesem Jahr soll es ein Plus von mindestens zehn Prozent geben.

Egal, ob Mann oder Frau: Wer aus der Arbeitslosenfabrik herauskommen will, muß auf ein unsicheres Nomadenleben in der Arbeitswelt gefaßt sein.

Annette Rogalla