Schläge ins Gesicht der Mullahs

■ Ein iranischer Prügeltrupp überfällt beim Freitagsgebet zwei Regierungsmitglieder. Ein Regimekritiker verschwindet spurlos

Berlin (taz) – Sie brüllten „Tod den Liberalen“, dann hauten sie drauf. Beim vergangenen Freitagsgebet in Teheran machten die Ansar-e Hisbollah, die „Anhänger der Partei Gottes“, ihrem Ruf als Schlägertrupp wieder einmal alle Ehre. Allerdings waren ihre Opfer diesmal eine Nummer zu prominent, als daß die Angelegenheit wie sonst üblich unter den Tisch gekehrt worden wäre.

Anstatt mißliebiger Intellektueller, Schriftsteller oder Hochschulprofessoren hatten sich die Schläger diesmal zwei Mitglieder der Regierung ausgesucht: Vizepräsident Abdullah Nuri und den Minister für Religiöse Führung und Kultur, Ataollah Mohadscherani. Beide erhielten Schläge ins Gesicht, Nuris Turban fiel vom Kopf, Mohadscheranis Hemd wurde zerissen.

Gestern gab das iranische Innenministerium bekannt, die Schläger seien gefaßt worden, die Ermittlungen im Gange. Um wen und um wie viele Täter es sich handelt, wurde nicht erklärt, nur daß die Verhaftungen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung zustande kamen.

Die beiden Geprügelten sind enge Vertraute des als vergleichsweise moderat geltenden Präsidenten Mohammad Chatami. Der hatte sich am Montag in einer Fernsehansprache in der Angelegenheit zu Wort gemeldet. Die Behörden sollten „gegen das widerliche Benehmen einer kleinen Gruppe von Leuten, die sich der Etablierung von Freiheit und Gerechtigkeit widersetzen, keine Maßnahme auslassen“, sagte er und forderte auch die konservativen Kräfte im Staatsapparat auf, dafür zu sorgen, daß die Schläger verfolgt und vor Gericht gestellt würden.

Die Erklärung war eine Art Kampfansage an Chatamis konservative Gegner im religiösen Establishment als deren bewaffneter Arm die Ansar-e Hisbollah gelten. Selbst Irans Religiöser Führer, Ajatollah Ali Akbar Chamenei – ein Konservativer mit angeblich guten Verbindungen zur Ansar-e Hisbollah – verurteilte die Überfälle.

Weniger prominente Opfer der Chatami-Gegner erhalten solche Fürsprache nicht. Ihr Mann Hadi Haschemi (60) sitze seit drei Monaten ohne Begründung im Gefängnis, beklagte sich kürzlich Aschraf Montaseri im persischsprachigen Programm der britischen BBC. „Er ist alt, er ist krank. Er braucht medizinische Behandlung, die die Behörden hartnäckig verweigern“, sagte sie. Der vermutliche Grund für Haschemis Verhaftung: Er gilt als Anhänger des Großajatollah Hosseinali Montaseri, seinem Schwiegervater. Der einst als Nachfolger von Revolutionsführer Ajatollah Chomeini gehandelte Kleriker wurde vom Religiösen Führer Chamenei höchstpersönlich unter Hausarrest gestellt.

Nach Informationen des Vereins zur Verteidigung der politischen Gefangenen im Iran wurden in den vergangen Monaten noch weitere Anhänger Montaseris verhaftet. Montaseri war vor zehn Jahren in Ungnade gefallen, weil er eine von Chomeini angeordnete Massenhinrichtung politischer Gefangener scharf kritisiert hatte. In den vergangenen Monaten hatte sich Montaseri mehrfach für Präsident Chatami ausgesprochen.

Völlig unklar ist unterdessen das Schicksal von Pirus Faghhai Davani (37). Der Politaktivist ist laut Angaben seiner Familie seit dem 25. August spurlos verschwunden. Davani wurde nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 mehrfach wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Zuletzt gründete er im Dezember vergangenen Jahres eine „Vereinigung für Demokratie im Iran“. Sein in Deutschland lebender Bruder befürchtet, daß Davani verhaftet oder vom iranischen Geheimdienst verschleppt wurde. Thomas Dreger