Washingtons Spielchen mit dem Kosovo

Die USA täuschten die Weltöffentlichkeit und ihre Verbündeten über die Ergebnisse erster Gespräche mit der UCK. Der Streit im westlichen Lager über ein Konzept zur Lösung der Krise dürfte weiter eskalieren  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – „Eine zynische und herablassende Äußerung, unter dem Niveau eines Botschafters.“ Ungewöhnlich scharf reagierte Klaus Kinkel beim Salzburger EU- Außenministertreffen am letzten Sonntag auf die Vorwürfe Christopher Hills, die EU sei „nicht interessiert“ am Schicksal der Kosovo- Albaner. Der öffentliche Schlagabtausch zwischen dem deutschen Außenminister und dem US-Chefunterhändler für den Kosovo dürfte nur der Auftakt sein zu weiteren öffentlichen Kontroversen.

Intern schwelen die Differenzen seit geraumer Zeit. Und daß Kinkel in Salzburg der Geduldsfaden riß, ist angesichts des seit Monaten völlig widersprüchlichen Verhaltens der Clinton-Administration verständlich. Mitte Juni signalisierte Washington zunächst ohne Konsultation mit den westlichen Verbündeten Präsident Slobodoan Milošević eine Aufweichung der seit März in der Kontaktgruppe und mit der EU formulierten Forderungen und Sanktionsdrohungen. Ebenfalls ohne Absprache mit den Partnern traf Ende Juni zunächst US-Unterhändler Richard Holbrooke „zufällig“ Mitglieder der Befreiungsarmee UCK. Wenige Tage später kam sein Kollege Robert Gelbard mit zwei führenden Vertretern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK zusammen.

Über die Gelbard-Gespräche wurde die Weltöffentlichkeit von der Clinton-Administration jedoch in einem entscheidenden Punkt getäuscht. Die beiden namentlich nicht identifizierten UCK-Vertreter hätten bei dem Treffen mit Gelbard die „politische Unterordnung“ ihrer Organisation unter den gewaltfreien Albanerchef Ibrahim Rugova zugesagt, ließ das State Department Anfang Juli verlauten. Tatsächlich hatten die beiden führenden UCK- Vertreter, deren Namen der taz bekannt sind, gegenüber Gelbard das genaue Gegenteil bekräftigt. Das bestätigen inzwischen übereinstimmend Quellen im State Department und bei der UCK.

Ob die bisherige US-Diplomatie im Kosovo nur eine von Pannen war oder einer raffinierten Strategie folgte, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Holbrooke ist seit Wochen abgetaucht und harrt seiner Bestätigung als Washingtons künftiger UNO-Botschafter durch den US-Senat. Gelbards Mandat als Chefunterhändler für den Balkan wurde auf Bosnien beschränkt. Sein Nachfolger im Kosovo, Hill, agiert bislang glücklos und anscheinend ohne klare Vorgaben durch das State Department.

Klar ist nur, daß Belgrad etwa zeitgleich mit den UCK-Geprächen Holbrookes und Gelbards klare Signale zunächst aus Washington und seitdem auch aus anderen Nato-Hauptstädten erhielt, daß ein Eingreifen der westlichen Militärallianz nicht zu befürchten ist. Milošević hat die Signale so verstanden, wie sie gemeint waren: als grünes Licht, mit der UCK militärisch aufzuräumen. Anderslautende Äußerungen etwa von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe kann Milošević getrost als Getöse im deutschen Wahlkampf verbuchen.

Auf das grüne Licht an Milošević und die Formel „keine staatliche Unabhängigkeit für Kosovo“ beschränkt sich der westliche Konsens. Über eine langfristige politische Lösung für den Konflikt und Zwischenschritte dorthin herrscht zwischen EU und USA sowie in der EU Ratlosigkeit, wie über die Sanktionen gegen Belgrad und die angesichts des nahenden Winters dringenden humanitären Maßnahmen. Die Stufenlösung einer zunächst drei Jahre gültigen beschränkten Selbstverwaltung für den Kosovo, die von Hill zwischen Milošević und Rugova vermittelt wurde, hat keine Chance auf Akzeptanz unter den Albanern.

Washingtons jüngste Vereinbarungen mit Milošević über die Einrichtung von elf Zentren unter Kontrolle der serbischen „Sicherheitskräfte“, an denen albanische Flüchtlinge im Winter humanitäre Hilfe erhalten sollen, erinnert stark an die Einrichtung der bosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica. Dort wurdem im Juli 95 rund 8.000 Muslime von Serben massakriert.