Birmas Junta droht Gegnerin mit Rausschmiß

■ Aung San Suu Kyi appelliert über ausländische Radiosender an das Militär

Bangkok (taz) – Die Warnung war unmißverständlich: Im „Namen des gesamten Volkes“ forderte ein gestern in mehreren birmesischen Zeitungen veröffentlichter Kommentar die herrschende Junta auf, „einen Befehl zur Deportation von Frau Suu Kyi zu erlassen“. Die Oppositionspolitikerin versuche, das Land zu destabilisieren – und sie gehöre ohnehin nicht nach Birma, da sie mit einem Ausländer verheiratet ist.

Da die Presse des Landes stets die Meinung des Militärs wiedergibt, ist die Drohung ernst zu nehmen. In den letzten Tagen hatten Armeesprecher angedeutet, die Dissidentin könne aus dem Land befördert werden. Ihrer Partei, der „Nationalen Liga für Demokratie“ (NLD), drohe ein Verbot. Um zu verhindern, daß Aung San Suu Kyi in dieser Woche ein „Volksparlament“ einberuft, haben die Behörden seit Sonntag über 110 NLD- Mitglieder festgenommen. Nach Angaben der Opposition sind unter den Verhafteten fünfzig Politiker, die bei den vom Militär nie respektierten Wahlen von 1990 einen Parlamentssitz gewonnen hatten. Die NLD erzielte damals über 80 Prozent der Stimmen.

Trotz aller Drohungen hielt die NLD-Führung weiter an ihrem Plan fest, die Abgeordneten zusammenzurufen. Suu Kyi verärgerte die Armee in den letzten Tagen besonders, als sie die „gewöhnlichen Soldaten“ des Landes aufrief, das „Volksparlament“ zu unterstützen. In einer Rede, die per Kassette aus dem Land geschmuggelt und über ausländische Radiosender zurückgestrahlt wurde, erinnerte sie: ihr Vater, Unabhängigkeitskämpfer Aung San, habe einst die Armee gegründet, „um das Land zu beschützen und nicht um die Politik zu beherrschen“.

Das birmesische Militär, seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1988 auf die doppelte Stärke angewachsen, steht bislang weitgehend geschlossen hinter der Junta. Doch unter einfachen Soldaten soll die Unzufriedenheit wachsen, da die Regierung nicht mehr in der Lage ist, ihnen regelmäßig ihren ohnehin dürftigen Sold auszuzahlen. Überdies werden die Studenten wieder aktiv: Nicht nur in der Hauptstadt Rangun, sondern auch in der Provinz organisieren sie Protestkundgebungen. Selbst Mönche sollen sich angeschlossen haben.

Bei den größten Demonstrationen seit Dezember 1996 versammelten sich vergangene Woche Hunderte im Ranguner Institut für Technologie. Ihr Zorn richtete sich vor allem gegen die elende Bildungspolitik der Junta, die fünf Prozent des Staatshaushaltes für Erziehung, mindestens fünfzig Prozent aber für das Militär verwendet. Alle wichtigen Hoch- und Fachschulen waren insgesamt sieben Jahre geschlossen.

Im August hatte die Regierung wieder Prüfungen zugelassen und versprochen, die Universitäten demnächst zu öffnen. Doch dies sollte nur dazu dienen, die Studenten ruhigzustellen: Die Klausuren waren eine Farce, Fragen und Antworten vorher zu erfahren. Damit die Hochschüler Abschlüsse nachholen konnten, mußten Professoren ihnen den Lehrstoff mehrerer Semester in wenigen Tagen vermitteln. Jutta Lietsch