„SPD: Wählt SPD!“

■ 19 Tage vor der Wahl gehen auch den vielgerühmten Strategen in der SPD-Wahlkampfzentrale die Ideen aus. Entgegen der Parteiplanung amüsieren sich Beobachter dann über, nicht mit den SPDlern

Berlin (taz) – Weil Reinhard Höppner ein wichtiger Mann ist, wird der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt auch an diesem Mittwoch von Sicherheitsbeamten begleitet. Zum Beispiel dem freundlich dreinblickenden, eher kleinen und leicht stämmigen Mann mit der goldenen Krawatte. Auf einer Pressekonferenz in ihrer Berliner Zentrale will die SPD ein Plakat enthüllen und bei der Gelegenheit die Ostdeutschen auf die Idee bringen, SPD zu wählen.

„Deutschland braucht fähige Köpfe. Der Osten hat sie.“ So steht es über dem Gruppenfoto, das Kanzlerkandidat Schröder im Kreise ostdeutscher Parteiprominenz wie Höppner, Stolpe und Thierse zeigt. Aber warum ist auf dem Klassenfoto von Schröders ostdeutschen Einserschülern auch der Leibwächter mit der goldenen Krawatte zu sehen? Die Nachfrage ergibt: Der Mann ist nicht Bodyguard, sondern Innenminister im Freistaat Thüringen. Es ist nicht einfach mit den führenden Köpfen.

Man tut den Hoffnungsträgern in Schröders Gefolge wohl nicht unrecht, wenn man einige von ihnen als eher blasse Geschöpfe bezeichnet. Mit Osten hat das gar nichts zu tun, auch der Fraktionsvorsitzende der hessischen SPD überzeugt wahrscheinlich durch andere Qualitäten als Charisma.

Die SPD-Strategen planten den Termin als weiteren Beweis sozialdemokratischer Kompetenz auf dem Weg ins Kanzleramt. Statt dessen gerät er eher zu einem Beispiel dafür, wie selbst der vielgerühmten SPD-Wahlkampfzentrale Kampa drei Wochen vor dem 27. September die Ideen ausgehen.

Programmatisches Kernstück der Veranstaltung, die von Stolpe geleitet wird, ist ein „Aufruf“ genanntes Drei-Seiten-Papier (zweizeilig getippt), in dem an Ostdeutsche appelliert wird, den Sozialdemokraten ihre Stimme zu geben. Die PDS hatte vor wenigen Tagen unter einem Wahlaufruf für Gregor Gysi immerhin noch parteiferne Kulturprominenz wie Walter Jens, Inge Meysel und Dieter Hildebrandt versammeln können. Unter dem SPD-Aufruf stehen nur die Namen zehn ostdeutscher SPD-Politiker. „SPD: Wählt SPD!“, übt ein Journalist für seine Schlagzeile.

„Was war denn das Neue an Ihrem Aufruf?“ fragt ein anderer. „Was haben Sie nicht schon vorher drei- oder viermal gesagt?“ Ministerpräsident Stolpe: „Das ist eine ganz wichtige Bekräftigung dessen, was ostdeutsche Sozialdemokraten ankündigen.“ Das wird es wohl sein. 19 Tage vor der Bundestagswahl hat die deutsche Sozialdemokratie offenbar nur ein zentrales Anliegen: Jetzt bloß keine Fehler mehr machen.

Erst im kleinen Kreis nach der Veranstaltung geht etwa Brandenburgs Sozialministerin Hildebrandt den ostdeutschen Hauptkonkurrenten PDS an: „Das ist die schlichte Botschaft: Jede Stimme für die PDS ist eine Stimme gegen den Wechsel. Ich bin überhaupt kein Taktiker, aber in dem Fall sage ich: Also Leute, überlegt euch das! Nicht daß sie dann am 27. September vor dem Fernseher sitzen und sagen: ,Hätte ich das gewußt, dann hätte ich das anders gemacht!‘“ Patrik Schwarz