Wie Schnecken beim Sex

■ Vom Unwissen, das zwischen den Geschlechtern herrscht: die leise Komödie Shoemaker

Schön haben es Carey und Paul in ihrer kleinen Welt. Sie betreiben gemeinsam einen Schuhmacherladen und leben wie in einer gut geölten Ehegemeinschaft. Zärtlichkeiten kommen hier schon mal als Gehässigkeiten daher, Rituale und Marotten gibt es zuhauf. Mittags kochen sich die beiden was Kleines, abends schnuppern sie gemeinsam an den Schuhen ihrer Kundinnen. Das ist auch schon der einzige Einbruch der Erotik in diese abgeschirmte Männerwelt.

Doch eines Tages lernt Carey beim Selleriekaufen Anna kennen, und da wird es kompliziert. Nach Annas erstem Besuch muß Carey einen Ventilator fürs Klo besorgen, weil es dort doch ein bißchen streng riecht. Das findet Paul übertrieben, und außerdem hat er um seinen amourös überhaupt nicht beschlagenen Kollegen Sorge. Vielleicht ist er auch nur eifersüchtig. Grund genug – für die Sorge, nicht die Eifersucht – gibt es. Denn es ist schon waghalsig, mit welchen Mitteln Carey das Herz der Dame erobern will. Mit exotischem Fischfutter zum Beispiel oder mit Ausführungen über die Fortpflanzungsmethoden der Schnecken, die bekanntlich mit sich selber Sex haben. Carey sagt das natürlich nicht, aber das Intimleben einer Schnecke kommt dem seinen recht nahe. Partnersuche ist für ihn ein unvertrautes Terrain. Bei Anna zaudert er oder stürmt drauf los – und liegt immer falsch.

Gut, daß Shoemaker von einer Frau gedreht worden ist, sonst wäre vielleicht ein einfältiges Lamento über das Mysterium Frau herausgekommen. Unter der Aufsicht der kanadischen Spielfilmdebütantin Colleen Murphy aber entwickelt sich der Film zu einer Studie über das Unwissen, das zwischen den Geschlechtern herrscht. Verwundert ist hier jeder über jeden. Paul (Carl Marotte als bestechender Knarzbeutel) geht manchmal zu Prostituierten, fühlt sich deshalb berufen, dem Kollegen den einen oder anderen Tip zu geben. Carey (großes Kind: Randy Hughson) weiß zwar, was Goldfische am liebsten futtern, weiß aber recht wenig vom Leben. Anna (verwittert sexy: Alberta Watson) fühlt sich vom sensiblen Sonderling angezogen, hat jedoch keine Idee, was sie mit ihm anfangen soll.

Die Menschen in Shoemaker agieren wie Schnecken, und das nicht nur sexuell. Weshalb es logisch erscheint, daß sich die Geschichte im Schneckentempo entwickelt. Langsam, ruhig, mit leisem Humor. Nur für kurze Momente können sich die Menschen aus ihrer Starre lösen – und mit ihr die Kamera. Etwa wenn Carey und Anna nachts alleine Eishockey spielen oder wenn sie dann doch einmal zusammen im Bett landen. Ein kurzes Glück ist das, und Carey kann am nächsten Morgen nur noch ein paar im Bett zurückgebliebene Strähnen streicheln.

Christian Buß

Do, 10. bis Mi, 16. September, 20.30 Uhr, 3001