Tödlicher Großstadtverkehr

■ Dieses Jahr kamen schon 17 Radfahrer in Berlin ums Leben. Radler mißachten die Regeln. Die Verkehrsverwaltung setzt auf Schulung. Und die Grünen fordern mehr Radfahrspuren

Der Großstadtverkehr in Berlin hat für immer mehr Radfahrer tödliche Folgen. Während im vergangenen Jahr insgesamt 18 Radler bei Unfällen ums Leben kamen, sind es in diesem Jahr schon Anfang September 17 Radfahrer, darunter 4 unter 14 Jahren. Polizei und Verkehrsverwaltung machen dafür vor allem das fehlerhafte Verhalten der Radfahrer im Straßenverkehr verantwortlich. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Michael Cramer, forderte in erster Linie eine radfahrerfreundliche Verkehrspolitik.

Mehr als 50 Prozent der Unfälle verursachten die Radfahrer selbst, erläuterte Karsten Schlüter vom Landesschutzpolizeiamt. Dabei seien vor allem die falsche Benutzung der Fahrbahn, zu hohe Geschwindigkeit und zu geringer Abstand sowie verkehrtes Einfädeln in den fließenden Verkehr die häufigsten Ursachen. Auch die Sprecherin von Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU), Petra Reetz, bestätigte, daß viele Radfahrer die Straßenverkehrsordnung mißachteten oder nicht kennten. „In einer Großstadt genügt es aber nicht, radfahren zu können“, so Reetz.

Polizei und Verkehrsverwaltung suchen die Schuld jedoch nicht allein bei den Radfahrern. Abbiegende Autofahrer beachteten oft die von hinten kommenden Radfahrer nicht, so Schlüters Erfahrung. Dennoch hält die Polizei Radwege auf den Bürgersteigen für sichere Verkehrswege. Michael Cramer dagegen warnte vor der scheinbaren Sicherheit auf Radwegen. Besser sei es etwa, Busspuren für Radfahrer freizugeben. „Der Sichtkontakt zwischen Auto- und Radfahrer ist entscheidend“, meinte Cramer. Radler auf der Fahrbahn zwängen Autofahrer zudem zu niedrigeren Geschwindigkeiten. Er kritisierte, daß die Verkehrsverwaltung voll auf Radwege setze. Noch gefährlicher könnte die Situation für Biker ab 1. Oktober werden. Dann wird die generelle Pflicht für Radler, Radwege zu benutzen, aufgehoben. Autofahrer müssen dann mit Radfahrern sowohl auf dem Radweg als auch auf der Straße rechnen.

Einziger Ausweg ist nach Meinung von Verkehrsverwaltung und Polizei die Verkehrsschulung. Mit Hilfe von Unfallanalysen versuchten sie Gefahrenpunkte zu bekämpfen, berichtete Schlüter. Die Radfahrprüfung in der vierten Klasse findet zudem inzwischen im normalen Verkehr statt. Schlüter wies allerdings darauf hin, daß Kinder erst ab zwölf Jahren in der Lage seien, sich mit dem Rad sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Wichtig sei auch, daß erwachsene Radfahrer kein Negativvorbild abgäben. Eine Helmpflicht läßt sich für Radfahrer aus juristischen Gründen nicht einführen, weil ein Fahrrad als Sportgerät und nicht als Verkehrsmittel gelte, so Reetz. Jutta Wagemann