Kein Mann für ein Hau-drauf-und-Schluß

George Clooney ist ein Bankräuber, auf den kleine Schalterfräuleins fliegen. Jennifer Lopez arbeitet beim FBI, sucht aber noch die große Liebe. Gemeinsam bilden die beiden in Steven Soderberghs „Out of Sight“ das Bonnie&Clyde-Pärchen der Neunziger  ■ Von Alexander Remler

Die Liste der schmerzlichen Niederlagen des FBI ist lang. Ermittlungspannen in Waco, Atlanta oder Oklahoma haben dazu geführt, daß der Ruf der einst strahlenden Bundesbehörde eine rapide Talfahrt hingelegt hat. Und auch in Steven Soderberghs neuem Film „Out of Sight“ sind die Technokraten an der Spitze des FBI allenfalls für einen Witz gut.

Da überrascht es nicht, daß Agentin Karen Sisco (Jennifer Lopez) kleinere und größere Identifikationsprobleme hat. Jack Foley (George Clooney) ist ihr da schon viel sympathischer. Der Haken: Jack ist mehrfacher Bankräuber, der nicht von seinem Handwerk lassen kann. Bietet man ihm einen geregelten Job an, spürt er die Versuchung gleich bis in die Fingerspitzen, den direkten Weg zum Banktresor anzutreten.

Ein Gangster der Marke Hau- drauf-und-Schluß ist er allerdings nicht, vielmehr ein Krimineller mit dem gewissen Etwas. Selbst in heiklen Situationen denkt er an seine gute Kinderstube. „Schönen Tag noch“, ruft er zum Beispiel der geplätteten Schalterdame hinterher, die er gerade um etliche hunderttausend Dollar erleichtert hat. „Ihnen auch“, kann die nur verdattert antworten und erwartet ansonsten, daß gleich das nächste „Verstehen Sie Spaß?“-Team um die Ecke biegt. George Clooney lächelt so charmant, daß ihm Frauen in der Regel nicht einmal 90 Kinominuten widerstehen können.

Karen läuft zunächst etwas miesepetrig durchs Leben. Sie grübelt der Frage nach, was ihr zum Glück fehlt. Sie hat einen guten Job, einen sich sorgenden Vater und ihren Freund Ray. Moment, ist Ray vielleicht das Problem? Er ist einer dieser coolen FBI-Agenten, die selbst härtesten Verbrechern noch kaugummikauend Handschellen anlegen. Ansonsten ist er auf seinen Job so stolz, daß er ständig in T-Shirts mit dem Aufdruck F-B-I rumläuft. („Sag mal, hast du auch eins, wo U-N-D-E-R-C-O-V-E-R draufsteht?“ fragt ihn Karens Vater einmal beiläufig.)

Die ganz große Kanone ist er nicht. Schade, daß Karen genau auf solche steht. Und so ist es zwar ganz nett, als sie von ihrem Vater eine .38er im Schwarzenegger-Format geschenkt bekommt, aber auch diese Waffe hält nicht ganz, was sie sich vom Leben erhofft. Jack ist da schon eher ihr Kaliber. Zu dumm, daß er sich meist auf der anderen Seite des Gesetzes aufhält.

„Out of Sight“ ist eine gelungene „Bonnie & Clyde“-Variation im 90er-Jahre-Look. Was sich zunächst konventionell anhört, reicht Drehbuchautor Scott Frank („Get Shorty“) für soviel Konfliktstoff, daß er die Geschichte nach einem Roman von Elmore Leonard (dessen „Rum Punch“ die Vorlage für „Jackie Brown“ war) aus dem Bekannten ins Besondere zu heben vermag. Außerdem sitzt mit Steven Soderbergh („Sex, Lügen und Video“) einer auf dem Regiestuhl, der ein Auge für die Magie des Augenblicks hat.

Zum Beispiel als sich Jack und Karen nach einigem Hin und Her in einer einsamen Hotelbar im winterkalten Detroit begegnen. Da hat es zwischen ihnen schon längst gefunkt, soviel ist klar. Ebenso klar ist, daß sie keine der üblichen Affären haben werden. Sie beobachten sich, belauern sich sogar. Während die Kamera sie minutenlang umkreist, teilt sich in jeder Geste und in jedem Blick eine emotionale Spannung mit, die beinahe greifbar wird. Toll gemacht und einer der Gründe, warum der Film hervorragend funktioniert.

„Out of Sight – Liebe, Lust und andere Laster“. Nach einem Roman von Elmore Leonard. Regie: Steven Soderbergh. Mit George Clooney, Jennifer Lopez, Marshall Sisco, Dennis Farina, Ving Rhames, Michael Keaton u.a. USA 1998, 120 Minuten