Ein Monster aus Not

■ Kampnagel: Premiere des Theater Triebwerk mit „Grendel“

Ob Rambo oder Frankenstein – Ausgestoßene sind sie, zu Killermaschinen mutierte verletzte Seelen. Ein Monster auf der Suche nach den Menschen ist auch das „friedlos Scheusal Grendel“, der menschenfressende Gegenspieler des Gotländers Beowulf in der gleichnamigen altenglischen Sage aus dem 8. Jahrhundert. Dieses sagenhafte Ungeheuer entdeckte nun das Theater Triebwerk – das sind die Regisseure und Schauspieler Erik Schäffler und Thomas Bammer und die Bühnenbildnerin Zazie Knepper – als Thema fürs Jugendtheater. Am Sonnabend hatte die zweite Produktion der freien Gruppe Grendel – Wie das friedlos Monster sein blutig Ende fand auf Kampnagel Premiere.

Nach dem Roman des Engländers John Gardner, der dem Grendel in den 70er Jahren literarisch auf die Spur kam, entwickeln Schäffler und Bammer eine Szenenfolge traumhafter bis verspielter Bilder. Beide sind Grendel, das Monster, tragen dazu abgerissene Anzüge, die an Pop-Grebos erinnern. Beide wechseln mittels einfachster Requisiten und körperbetonter Aktionen auch in die Rollen ihrer Gegenspieler: des Drachens, des Dänenkönigs Hrodgar und des starken Beowulfs. Dafür finden sie weniger eine märchenhafte, als eine zeitlose, psychologische Abgründe beleuchtende Ästhetik.

Wie ein Gestade am Ende der Welt wirkt die Bühne von Zazie Knepper. Stege führen um ein Halbrund aus Torf, Podeste dienen als Aussichts- und Fluchtpunkt oder auch als Balkon, von dem sich ein Herrscher dem Volk zeigt.

In mehreren Episoden berichten die beiden Grendels spielend von ihrer Monsterwerdung, erzählen von der Mutter ebenso wie von der ersten Begegnung Grendels mit Menschen und davon, wie diese vor dem schrecklichen Aussehen des Dings aus den Mooren zusammenschrecken und zuschlagen. Grendel bleibt nichts anderes übrig, als sich zu wehren und Respekt zu verschaffen, indem er Köpfe abbeißt und anschließend „glibbriges Blut“ aufschleckt. Am Ende wird sich Grendels Gewalttätigkeit gegen ihn selbst richten.

Vor solch sagenhaftem Hintergrund breiten Schäffler und Bammer ihre Auffassung von einem überaus dynamischen Jugendtheater aus, das sich an Jugendliche jeden Alters richtet. Schäffler, der zuvor im Ensemble des Jugendtheaters auf Kampnagel (JAK) wirkte, setzt mit dem Theater Triebwerk die im JAK begonnene Tradition fort. Dazu zählt auch das die Grendel-Produktion begleitende Projekt, in dem etwa 20 Jugendliche zum Thema diskutieren und sich in Rollenspielen ausprobieren – vielleicht als Vorspiel einer eigenen Theatervorstellung?

Julia Kossmann