Spitzelaffäre in Santa Fu

■ Kripo belastet sich selbst: Knast-V-Mann wurde Belohnung für Heroin-Ausbruchs-Deal zugesagt / Wie tief steckt Seemann drin? Von Silke Mertins

„Das Ziel des Strafvollzugs ist die Resozialisierung, und dazu gehört nicht, daß man einen Häftling zu einer Straftat animiert.“ Richter Walk kann offenbar auch nur schwer glauben, was er gestern bei der Zeugenaussage zweier Kripobeamter zu hören bekam. Mit Hilfe eines Knast-Spitzels haben Drogenfahnder kräftig mitgeholfen, daß der Häftling Mehmet D. sich auf einen Ausbruch aus der JVA Santa Fu einläßt und die vermeintlichen Fluchthelfer mit Heroin bezahlt (taz berichtete).

Nun stehen Mehmet D., sein Bruder und ein Cousin vor Gericht wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Wäre es nur um Geld gegangen, wie Mehmet und seine Verwandten es nach eigenen Angaben eigentlich wollten, läge keine Straftat vor. Auch der Kripobeamte aus Lüneburg, der den Polizeispitzel im Knast betreut hat, bestätigte, daß Mehmets Verwandte zunächst nur Bares und keine Drogen angeboten hätten. Doch das deutete er als „Abchecken“. Nach Angaben des Knast-V-Manns Rigal J. waren die versprochenen drei Kilo Heroin nämlich bereits vorhanden.

Das widerspricht allerdings den Polizeiberichten; dort steht, daß laut „Hinweisgeber“ Rigal J. der Stoff erst aus den Niederlanden besorgt werden müßte. Auch der Hamburger Drogenfahnder A. gibt zu, daß durchaus nicht sicher gewesen sei, ob tatsächlich mit Rauschgift bezahlt wird, und daß von seiten der Fahnder in diese Richtung gedrängelt wurde.

Selbst organisierter Heroinhandel ist allerdings nicht die einzige gesetzlich nicht vorgesehene Fahndungsmethode. Die Drogenfahnder und die JVA-Sicherheitsbeamten haben außerdem gegen die Anweisung der Justizbehörde verstoßen. Danach darf ein Gefangener, der seine Dienste als Informant anbietet, nicht materiell oder durch Vergünstigungen entlohnt werden. „Unabdingbare Voraussetzung“ sei, daß die Spitzeldienste „ohne weitere Bedingungen oder Forderungen“ angeboten werden. Ausschließlich die „Zusicherung einer eventuell erforderlichen Schutzgewährung“ ist eine zulässige Gegenleistung. Mehr als eine Verlegung in einen anderen Knast ist also gesetzlich nicht drin.

Der Lüneburger Kontaktmann zum „Hinweisgeber“ Rigal J. sagte jedoch aus: Er habe zugesichert, daß er, „wenn sich unsere Zusammenarbeit erfolgreich gestaltet“, die Staatsanwaltschaft darüber informieren und „um wohlwollende Prüfung des Halbstrafengesuchs bitten“ werde. Diesen Brief schrieb er nach erfolgreichem Ausbruchs-Heroin-Deal auch tatsächlich. Die Verteidigung beantragte wegen dieser ungesetzlichen Gegenleistung, daß die Aussagen Rigal J.s nicht zugelassen werden.

Wie tief der Knast-Sicherheitsbeaufragte Hans Seemann – der schon in der ,Abhöraffäre' eine unrühmliche Rolle gespielt hat – in die unsauberen Machenschaften der Drogenfahnder verwickelt ist, muß noch geklärt werden. Die Polizisten sagten gestern aus, daß es mehrere Treffen mit Seemann gegeben hätte, um den Flucht-Deal zu besprechen. Ob Seemann von der Spitzel-„Belohnung“ gewußt hat, wird er bei seiner eigenen Vernehmung verraten müssen. Daß Resozialisierung und nicht das Verführen zu Straftaten Ziel des Strafvollzugs ist, entzog sich jedenfalls nicht seiner Kenntnis.