Ein Bad ohnegleichen

■ Der Basler Architekt Peter Zumthor stellte sein neuestes Projekt vor

Basel hat einen fabelhaften Humus für Architektur, deren vermeintliche Schlichtheit ihre Sensation ist. Wer die Feuilletons und Fachzeitschriften beobachtet wird gerade in letzter Zeit immer wieder auf Schweizer Architekturprotagonisten aus der Grenzstadt zu Deutschland stoßen: Diener und Diener, deren konzeptkünstlerische Neugestaltung des Bahnhofvorplatzes in Mannheim zuletzt große Aufmerksamkeit erregte, Herzog & de Meuron, die überall in Europa poetische Schlüsselbauten einer kunstsinnigen Reduktion entwerfen, oder Peter Zumthor mit seinem Entwurf für ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum „Topografie des Terrors“ in Berlin.

Letzterer hielt am Montag zum Abschluß der Vorstellungsreihe „Schweizer Architekten“ der Hamburgischen Architektenkammer einen Vortrag über sein letztes Projekt, ein unterirdisches Thermalbad im graubündischen Vals. Obwohl sicherlich viele der überwiegend sehr jungen Zuhörer in der restlos überfüllten Freien Akademie der Künste in der Erwartung gekommen waren, einen vertiefenden Überblick über das vielgestaltige Gesamtwerk des Baumeisters zu bekommen, zeigte sich, daß die intensive Darstellung eines einzelnen Projektes oft mehr über den Seelenmotor eines Künstlers aussagt.

Zumthor, ein etwas ausgemergelter Mann mit schulterlangem, weißen Haar, blitzenden Augen und großer Lust auf Nikotin, führte sein Publikum charmant und augenzwinkernd durch die verschiedenen Stufen der Projektentwicklung. Angefangen von einem unmöglichen Auftrag, ein „einmalig schönes Bad zu bauen, das man aber von außen nicht sieht“, also dem klassischen Auftrag, „den man eigentlich sofort ablehnt“, bis zum Abschluß in einer demonstrativ künstlerischen Lösung, die alle Funktionen erfüllt, führte der Weg.

Gemeinsam mit seinem Büro entwickelte er einen Materialdreiklang aus Stein, Wasser und Licht, der im Kontrast von schweren Blöcken und feinen Fugen für Wasser- und Lichtführung zu einem subtil rhythmisierten Labyrinth führt, dessen haptische Reize höchst eigenwillig komponiert sind. Durch verschiedene Bearbeitungen des Steins, der vor Ort geschlagen wurde, sowie durch ungewöhnliche Features für die Funktionsräume innerhalb der Steinquader wurde ein einmaliges Raum- und Badekonzept entwickelt, das in dieser Form ohne Vorgänger ist.

„Es gibt hier keinen Jahrmarkt der Wasserdüsen“, ebensowenig wie Kacheln, Keramik oder bunte Plastiktüren. Stattdessen entwarf Zumthor in seiner Bildhauerei eines fließenden Raums Zellen für Steinmusik, schmale Einschnitte zur Meditation vor Landschaftsausschnitten, überraschende Durchblicke und eine geradezu archaische Stimmung, in der man hinter der nächsten Ecke eher den Minothaurus als den Physiotherapeuten vermutet. 1996 soll das Bad fertig sein. Till Briegleb