Würzig mit Birnen-Aroma

45mal schnüffeln, kosten und urteilen: Ein Winzer aus der Pflaz gibt Weinseminare an der Hamburger Volkshchschule  ■ Von Mechthild Klein

Der Geschmack eines Weines, so will es ein Sprichwort wissen, richte sich nach dem Charakter des Winzers. Welche sensorischen Folgen dies bei einem griesgrämigen Weinbauern hätte, darüber schweigt die Volksweisheit. Bei dem 26jährigen Winzer Axel Neiss aus der Pfalz allerdings ließe sich ins Grübeln kommen. So spritzig, frech und unterhaltsam wie seine Anekdoten aus der Welt der Kellerwirtschaft kommen auch seine Weine daher. Kenner sprechen hier von „Ausgewogenheit“ oder „Würze“, gespickt mit ein paar Fruchtaromen wie Pfirsich und Birne.

„Um es gleich vorweg zu sagen: Weinkenner werden, das kann man sich nicht selbst beibringen“, betont der Mann mit dem Profi-Gaumen. „Um den Charakter eines guten Weines mit seiner Vielschichtigkeit herauszuschmecken, ist eine langjährige Schulung unter Anleitung notwendig.“ Für den Anfang genüge es aber, „wenn man weiß, was man gerne trinkt und daß man zu seinem geschmacklichen Urteil steht“. Und das zumindest sollten die norddeutschen Weinliebhaber in seinen Volkshochschul-Kursen in Hamburg am Ende des Seminars herausgefunden haben.

Diplom-Ingenieur Neiss, der nach Winzerlehre und Weinbaustudium inzwischen den 13 Hektar großen Familienbetrieb in Kindenheim bewirtschaftet, bietet seine Weinseminare bereits zum zweiten Mal an. Begrenzt auf 20 TeilnehmerInnen, denn mit grauer Theorie hat der 26jährige nichts am Hut. „Schnüffelrunden“ stehen auf dem Programm und, natürlich, eine ausgiebige Verkostung. Etwa 45 Weine werden die WeinfreundInnen insgesamt zu prüfen und zu kosten haben, dreimal dreieinhalb Stunden sind dafür vorgesehen. Um „einen überschaubaren Rahmen“ zu schaffen, beschränkt sich Neiss zunächst auf deutsche Anbaugebiete: Weißweine, zum Beispiel Rieslinge, am ersten Tag, Rote am zweiten. Erst die dritten und letzten 210 Minuten sind internationalen Weiß- und Rotweinen gewidmet.

„Da freuen sich alle am meisten drauf“, sagt Axel Neiss und lacht ein wenig ärgerlich. Denn „Modeweine“ wie Merlot oder Pinot Grigio würden zwar gerade von norddeutschen WeintrinkerInnen gern gekauft, doch im Verhältnis Preis/Leistung gebe es da „nicht so die tollen Sachen“. Bei Blindverkostungen, weiß Neiss, „schneiden die gegen die Deutschen immer schlechter ab“. „Man bezahlt eben einen Aufschlag für das Etikett und die Erfolge der Vergangenheit.“ Noch ärgerlicher sind für den umweltbewußten Winzer Weine zu Dumpingpreisen wie Chardonnay aus Chile, Argentinien oder Neuseeland. „Wenn die Flasche fünf Mark kostet – und es sind recht gute Weine darunter –, kann man sich ja an einer Hand ausrechnen, wie ausbeuterisch da mit Arbeitskräften und Böden umgegangen wird“, sagt Neiss. Und: „Die werden vom anderen Ende der Welt herangekarrt“, umweltfreundlich sei das ja wohl nicht.

Die 13 Hektar in Kindenheim werden bereits seit einem Jahr probeweise nach kontrolliert umweltschonenden Kriterien bewirtschaftet, „beigetreten“ ist die Familie Neiss aber erst jetzt, so daß das entsprechende Etikett erst die Flaschen des 99er-Jahrgangs schmücken wird. „Natürlicher Anbau“, sagt der 26jährige, liege ihm „sehr am Herzen, auch wenn es im Weinbau „nicht sehr einfach“ – und auch nicht immer logisch sei: „Oft sind die Biobetriebe sehr technikorientiert“, arbeiteten zum Beispiel mit großen Zentrifugen zur Weinklärung. Und auch die biologische Schädlingsbekämpfung sieht er kritisch: „Weil im Bioanbau Fungizide mit Kupferverbindungen zulässig sind, die lange im Boden bleiben, spricht das meiner Meinung nach gegen diese Methode.“ Aber momentan sei einiges im Umbruch: „Zum Beispiel sollen abbaubare Herbizide wieder zugelassen werden, weil die sonst erforderliche mechanische Entfernung des Unkrauts mit PS-starken Treckern in den Weinbergen einfach die größere Umweltbelastung ist.“

Doch immerhin, tröstet sich Neiss, seien das Aspekte, die beispielsweise im Nachbarland Frankreich erst gar nicht vorkämen. Dort seien immer noch „Spritzmittel im Einsatz, die bei uns schon lange verboten sind, wie Karathane gegen Mehltau“, erzählt er von seinem Praktikum in der Champagne. Auch die Wartezeit zwischen Spritzeinsatz und Ernte sei in Frankreich etwa um ein Drittel kürzer als hierzulande. „Damals habe ich erlebt, wie man, ohne mit der Wimper zu zucken, einen ganze LKW-Ladung leerer Düngemittelsäcke aus Plastik in den Bergen verbrannt hat.“

Das Weinseminar von Axel Neiss an der VHS-West im November ist ausgebucht. Ob es einen Zusatztermin geben wird, steht noch nicht fest, ansonsten müssen sich InteressentInnen mit dem kommenden April-Termin trösten.