Auf immer tierisch scharf

■ Seit Viagra beherrscht uns nur eins: Der Leistungsdruck im Bett – findet das Bremer Gesundheitsamt und organisierte eine befreiende Ausstellung zum Thema

Warum habe ich keine Lust, meine/n Liebste/n ans Bett zu fesseln? Muß ich immer tierisch scharf sein? Fragen, die sich laut Bremer Gesundheitsamt immer mehr Menschen stellen – seit Viagra und die Sex-Medienflut täglich neue Leistungsansprüche transportieren. Getreu dem Motto: Wenn alles möglich ist, muß wohl auch alles möglich gemacht werden. Doch kaum einer spricht über dieses Problem, meint das Gesundheitsamt – und will diese Sprachlosigkeit mit einer Ausstellung von StudentInnnen der Hochschule für Künste zum Thema „Sexualität und Leistung“ überwinden. Die taz suchte das Gespräch über das Unaussprechbare: Wir sprachen mit Marita Meyer, Ausstellungsinitiatorin, Sozialpädagogin und Mitarbeiterin der Beratungsstelle bei sexuell übertragbaren Krankheiten.

taz: Was meinen Sie mit Sprachlosigkeit?

Marita Meyer, Gesundheitsamt Bremen: Wir reden zwar viel über Sexualität, aber mehr über den Leistungsaspekt. Denn die eigenen Wünsche und Schwächen werden allzu häufig ausgeklammert.

Im taz- Kollegium heißt es aber fast einhellig: Wir haben kein Problem mit Leistung im Bett.

Herzlichen Glückwunsch, aber so denken viele.

Sie auch?

Das Thema „Sexualität und Leistung“ ist heikel. Es ruft häufig zuerst einmal Ironie, ein unverständiges Lächeln, die Antwort: „Damit habe ich kein Problem“, also immer etwas Abwehr und/oder innere Distanz hervor. Das ist ein anderer Aspekt des Themas: Sexualität und Leistung paßt für viele scheinbar nicht zusammen, beziehungsweise hat nichts mit ihnen persönlich zu tun. Sie denken an das Plakative, zum Beispiel an die Vermarktung durch die Medien, und distanzieren sich davon.

Aber Sie wollten doch das Gespräch anregen und die Sprachlosigkeit überwinden? Und so könnte es ja erleichternd sein, von anderen und zum Beispiel auch von Ihnen zu erfahren, daß sie es zum Beispiel auch nur einmal die Woche machen.

Das ist wieder der Leistungsgedanke. Es geht nicht nur darum, wie oft oder häufig man es macht, sondern um die subtileren Gefühle wie zum Beispiel: „Bin ich noch gefragt?“, „Wie sehe ich aus?“. Ich könnte Ihnen jetzt die Gegenfrage stellen: Haben Sie schon einmal über Ihren eigenen Prostitutionsanteil nachgedacht?

Schon mehrmals. Wieso?

Die häufigste, spontane Reaktion, die wir erleben ist: So etwas mache ich überhaupt nicht. Aber bei näherem Überlegen erinnern wir uns: Naja, für die gute Stimmung in der Beziehung oder für eine Waschmaschine ...?

Warum fällt es schwer, solche Dinge offen auszusprechen?

Ich denke, auch hier spielen Leistungsansprüche eine große Rolle. In keinem anderen Lebensbereich wird soviel geschwindelt wie beim Thema Sex. Auch wir beide reden hier viel über die Mechanik der Lust, aber unsere konkreten Wünsche und Gedanken teilen wir uns nicht mit. Machen wir es im Gespräch mit unseren Partnern oder Freunden nicht genauso? Wie intim werden wir zum Beispiel mit unseren Freundinnen?

Entweder man redet nicht soviel, um die anderen nicht neidisch zu machen. Oder eben umgekehrt. Aber eigentlich ließe sich mehr bewegen, wenn alle mehr Tacheles reden würden.

Das wäre wünschenswert. Vielleicht verschwindet dann das Phantom der Feierabend-Pornoqueen. Uns geht es jedenfalls darum, daß die Menschen beim Betrachten der Bilder einen Anstoß bekommen. Daß jeder Mann und jede Frau sich die eigenen geheimen Wünsche und Sehnsüchte vergegenwärtigt und diesem Spektrum von frivol-verwerflich bis sehnsuchtsvoll-symbiotisch noch einmal nachspürt. Fragen: Katja Ubben

Die Ausstellung mit fotografischen Arbeiten läuft noch bis zum 7. Oktober im Kino 46, Waller Heerstraße 46, 15 bis 23 Uhr. Am 23. September ist eine Podiumsdiskussion geplant mit Claudia Gehrke, Verlegerin des Konkursbuchverlages aus Tübingen, Prof. Fritz Haase von der Hochschule für Künste Bremen und Dipl. Psychologe Günter Zamel von der Uni Hamburg, Abteilung Sexualforschung.