Mehr als ein Blick hinter bauliche Kulissen

■ Mit Events wie dem Denkmaltag stellt sich auch die Frage nach den Veränderungen, denen die Denkmalpflege unterworfen ist. Doch Fast-Abrisse wie bei der Ständigen Vertretung sind kein Thema

Das Spektakel mit den Events bommt. Ob die lange Nacht der Mussen lockt oder der Tag der offenen Tür bei der BVG. Unverhoffte Einblicke und andere Perspektiven als die, die der Alltag bietet, lassen sich immer weniger Berliner entgehen. Das gilt auch für den Tag des offenen Denkmals an diesem Wochende. Doch bietet dieser Tag, der in diesem Jahr zum nunmehr fünften Mal stattfindet, tatsächlich mehr als einen Blick hinter die baulichen Kulissen?

Sosehr das Interesse an den Boden-, Garten- und Baudenkmalen der Stadt wächst, so sehr nimmt auch der Druck auf die historisch und baugeschichtlich wertvolle Topographie der Stadt zu. Vor allem die baulichen Zeugnisse der Industriemetropole Berlin – von Fabrikgebäuden über alte Verkehrsdepots bis zu „Krankenstädten“ wie in Buch – stehen dem Umbau zum Dienstleistungsstandort im wahrsten Sinne des Wortes im Wege. „Wir verbrauchen, wenn wir bauen, nicht allein Land und Energie“, sagt die Bauhistorikerin Simone Hain. „Wir verbrauchen, vernutzen auch Geschichtlichkeit und in Architektur vergegenständlichte kulturelle Symbole.“ Die stellvertretende Vorsitzende des Denkmalrats fordert deshalb die Entwicklung einer „kulturellen Strategie, die die verfügbare Geschichtlichkeit maximal facettiert und vor allem bis in die Gegenwart produktiv macht.“

Daß dies ein Spagat ist, erfahren die Denkmalpfleger tagtäglich. Zwar ist die „Unterschutzstellung“ eines Denkmals nicht mehr, wie es die damalige Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau, noch 1994 beklagte, eine „Erste-Hilfe- Aktion“, um den Abriß wertvoller Gebäude zu verhindern. Zwar hat sich mit der Denkmalschutznovelle von 1995 nicht nur die Zahl der Denkmale von 2.000 auf 15.000 erhöht, sondern auch das Verfahren der Denkmalausweisung vereinfacht. Dennoch brechen keine goldenen Zeiten für die Denkmalpfleger an. „Statt über den Denkmalwert eines Gebäudes zu streiten, wird es nun verstärkt darum gehen, ob Teilabrisse oder Umbauten ein eingetragenes Denkmal gefährden oder nicht“, prophezeit Denkmalschützerin Simone Hain.

Noch immer wird der Leiter des Landesdenkmalamtes, Jörg Haspel, nicht müde zu betonen, daß es mit der Mauerstraße 15 erst einen tatsächlichen „Abgang“ aus der Denkmalliste gegeben habe. Doch nicht immer erlischt der Denkmalwert erst dann, wenn die Bagger den letzten Schutt eines Gebäudes wegräumen. Das jüngste Beispiel eines sorglosen Umgangs mit der „Ressource“ Geschichte betrifft ausgerechnet ein Gebäude, an dessen Erhalt den Verantwortlichen nicht nur in Berlin, sondern der ganzen Bundesrepublik gelegen sein müßte: die ehemalige Ständige Vertretung der BRD in der Hannoverschen Straße. So will das Wissenschaftsministerium an dem 1913 errichteten, kriegsbeschädigten Kasernengebäude, das 1949 von Hans Scharoun als Sitz der DDR-Bauakademie wiederaufgebaut wurde und 1974 nach Plänen der Bundesregierung zur Ständigen Vertretung umgebaut wurde, nicht nur die Scharounsche Dachkonstruktion entfernen, sondern auch den Festsaal im Hof abreißen. Für Simone Hain, die derzeit den Denkmalwert des Gebäudes untersucht, ein Akt der Geschichtslosigkeit sondergleichen. Immerhin hätten in diesem Festsaal nicht nur zahlreiche Empfänge und Kulturveranstaltungen stattgefunden, darunter die erste Beuys-Ausstellung in der DDR. Auch jene DDR- Bürger, die im Sommer 1989 die Ausreise über Ungarn nicht mehr geschafft haben, fanden hier vorübergehend Unterschlupf.

Das Beispiel der Ständigen Vertretung wirft freilich noch ein anderes Problem auf, das die Denkmalschützer mehr und mehr zu beschäftigen beginnt. Während der kulturgeschichtliche Wert der Gründerzeitbauten in der Öffentlichkeit weitgehend unbestritten ist, kann dies von der Archtektur der Moderne, insbesondere der Nachkriegsmoderne nicht behauptet werden. Das gilt nicht nur für den sozialistischen Städtebau in Ostberlin, sondern auch den Westberliner Breitscheidplatz. Wäre mit dem Tag des Denkmals mehr verbunden als das übliche Publikumsspektakel, hätten gerade hier Informationsdefizite abgebaut werden können. Immerhin besteht die Geschichte der Stadt aus mehr als der hundert Jahre zurückliegenden Vergangenheit. Uwe Rada