Mißtrauensantrag gegen Schönbohm

■ Grüne: Senator ist für Verfassungsschutzaffäre verantwortlich

Die Grünen werden wegen der Verfassungsschutzaffäre einen Mißtrauensantrag gegen Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) stellen. Die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast begründete dies gestern mit Schönbohms Versagen in der Verfassungsschutzaffäre um den Polizeibeamten Otto D. Schönbohm habe gewußt, daß sich der Verfassungsschutz auf einen V-Mann mit Stasi-Vergangenheit stützte, als das Amt den Polizeibeamten fälschlicherweise als Scientology-Mitglied einstufte. Der V-Mann war die einzige Quelle. Schönbohm habe auf dieser Basis das „berufliche Todesurteil“ über den Beamten gefällt.

Schönbohm, der den Fall Otto D. zur Chefsache gemacht hatte, habe damit einen erneuten Fall Kießling zugelassen, so Künast. Bundeswehrgeneral Günter Kießling war 1983 aufgrund von Geheimdienstberichten fälschlicherweise homosexueller Kontakte bezichtigt worden. Schönbohm, der damals als Adjutant von Verteidigungsminister Manfred Wörner mit der Affäre befaßt war, hatte mehrfach betont, aus dem Fall gelernt zu haben.

Als weiteren Grund für den Mißtrauensantrag nannte Künast, daß der Einsatz früherer Stasi- Spitzel beim Verfassungsschutz inakzeptabel sei. Sie kritisierte, daß dem parlamentarischen Kontrollausschuß am Donnerstag weder die Anzahl der ehemaligen Stasi-Informanten beim Verfassungsschutz genannt worden sei, noch seien die Abgeordneten darüber unterrichtet worden, was der V-Mann „Junior“ konkret bei der Stasi getan habe.

CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky griff Künast gestern ungewöhnlich scharf an. Er bezeichnete den Mißtrauensantrag als „Gipfel der Scheinheiligkeit“ und forderte sie auf, ihren Sitz im Verfassungsschutzausschuß abzugeben. Die Grünen werden den Mißtrauensantrag am Donnerstag bei der Plenarsitzung des Parlaments einreichen. Frühestens 48 Stunden später kann das Parlament dann in einer Sondersitzung darüber abstimmen. Die PDS will den Antrag unterstützen. Die PDS-Fraktion hätte allerdings einen Mißbilligungsantrag bevorzugt. Die PDS befürchtet, daß mit einem Mißtrauensantrag die in der SPD aufkeimende Kritik „mit der Keule der Koalitionsloyalität“ erstickt werden könnte.

Die SPD-Fraktion wird sich „nach dem jetzigen Stand“ dem Mißtrauensantrag mehrheitlich nicht anschließen, erklärte SPD- Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. Im Lauf der nächsten Tage ist aber damit zu rechnen, daß weitere Details über die Stasi- Verstrickung des V-Mannes bekanntwerden. Dies könnte dann auch bei SPD-Abgeordneten zu einer anderen Bewertung führen.

Der inzwischen voll rehabilitierte Polizeibeamte Otto D. erklärte gegenüber der taz: „Ich bin menschlich nach wie vor zutiefst betroffen und fassungslos.“ Dorothee Winden