Im Gewissenskeller der Partei

■ Im Kanzlerkandidatenentführungsdrama „Macht“ steht vor der Geldübergabe die Wahrheitsfindung (Sonntag, 20.15 Uhr, Sat.1)

Den Skandalen deutscher Politik fehlt es ein bißchen an Sex and Crime. Mord und Totschlag tauchen nur als abstrakte Formel am Ende von Waffengeschäften mit dem fernen Osten oder im Subhandel mit staatsgeheimen Informationen auf. Ansonsten viel Engagement bei Steuerhinterziehung und hie und da ein Vetter in der Bauwirtschaft.

Bei derart piefigem kriminellen Potential würde ein außerirdischer Brandanschlag auf das Parlamentsgebäude wie in „Independence Day“ tatsächlich etwas hysterisch daherkommen. Ganz besonders im Fernsehen. Als grimmige, irgendwie außerirdische, zumindest außerdeutsche Invasion überließ das TV die Rolle des unhinterfragbar Bösen und Renitenten ganz seiner telegen geschminkten RAF-Variante, die als schwarzvermummte Männchen auf dem Bildschirm gegen ein verwunschenes Bonn wüten sollte. Doch spätestens seit dem kleinmütigen Auflösungspamphlet des RAF-Restes läßt die Wirklichkeit den deutschen TV-Film mit ernsthaften Casting-Problemen im Stich.

Der aufwendige Sat.1-Film „Macht“ von Miguel Alexandre hält da eine recht eigenwillige Bestimmung für die bösen Buben bereit, die den hoffnungsvollen Kanzlerkandidaten Peter Sommer (Peter Sattmann) kurz vor dem Wahltag entführen. Die Politikerräuber sind zwar politisch unambitioniert und verfolgen ausschließlich kapitale Interessen. Vor die Geldübergabe hat das Drehbuch jedoch die Pflicht bienenfleißiger Wahrheitsfindung gesetzt. Und so räumen die Entführer auf Hinweise ihres Gefangenen den Gewissenskeller seiner Partei auf. Unterstützt von der First Lady (Katja Riemann), die, wenn sie nicht gerade mit ihrer Tochter die Hundemarke des Vermißten küßt, jenen sabotierenden Parteikollegen entlarvt, der die Geldübergabe systematisch verhindert. Schlimme Waffengeschäfte kommen dabei ebenso ans Licht wie die mit Schweigen erkaufte Karriere des Gatten.

Aber weil Peter Sommer im Grunde ein guter Junge ist – schließlich hat sich Peter Sattmann an Tony Blair orientiert und Reemtsmas „Der Keller“ ganz gelesen – darf er, ohne rot zu werden, die erstaunliche Grundbedeutung von Politik, nämlich, „Gutes für die Allgemeinheit zu tun“, herunterbeten und bekommt am Ende die Chance, die Familie als einzige Monade der Anständigkeit zu retten. Böse bleibt allein die Schwiegermutter, wenn sie „Macht ist eine Waffe“ und etwas von „Warum soll man sie nicht für sich nutzen“ ins Halbdunkel faselt. Und gegen diese Hexerei können auch die eifrigsten Kidnapper nichts ausrichten. Das bleibt ein Fall für den wieder instandgesetzten Kleinfamilien-Ofen. Birgit Glombitza