Farce um Festnahme des Geheimbundchefs

■ Rom feiert die Verhaftung von Licio Gelli. Und bereitet schon seine Amnestierung vor

Rom (taz) – Mit Schulterklopfen, feierlichen Sprüchen und mächtigem Eigenlob hat Italiens Regierung die Festnahme des rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilten ehemaligen Logenmeisters des illegalen Geheimbundes „Propaganda 2“, Licio Gelli, gefeiert. Eine „Wunde“ sei damit geheilt worden, sagte Regierungschef Romano Prodi. Sein Innenminister tat so, als hätte man den vor vier Monaten – einen Tag vor der beabsichtigten Einlieferung ins Gefängnis – ausgebüxten „Maestro venerabile“ (so sein Titel auf der 33gradigen Logenmeister- Skala) niemals aus den Augen verloren und im französischen Cannes nun lediglich die Handschnellen zuschnappen lassen.

Tatsächlich hatte die Flucht Gellis damals schwere Irritationen auch in der Mitte-links-Regierung ausgelöst. War sie doch just in den Tagen erfolgt, in denen sich auch ein hochrangiger Mafioso (er wurde mittlerweile ebenfalls wieder eingefangen) verkrümelt hatte.

Doch so ganz zur Freude gereicht den Italienern die Nachricht von der Verhaftung Gellis nicht. Wie es aussieht, bereitet just die wegen seiner Verhaftung jubelnde Regierung gleichzeitig schon wieder seine Freilassung vor. Versteckt in einem Gesetzespaket, das vorgeblich einer Beendigung der noch anstehenden Tausende von Korruptionsverfahren aus der Zeit christdemokratisch-sozialistischer Regierungszeiten dienen soll, findet sich auch eine kleine Klausel, die es in sich hat.

Nachdem mit Hilfe des Gesetzes alle Korruptionsfälle, auf die bis zu vier Jahre Haft stehen, straffrei bleiben sollen, so die Täter das Vergehen einräumen und den Schaden wiedergutmachen, wolle man, so Justizminister Flick, auch „andere bereits gerichtsanhängige oder abgeschlossene Straftaten mit Urteilen bis zu dieser Höhe straffrei stellen“. Im Klartext: Wer bis zu vier Jahren verdonnert wurde oder wem eine Strafe bis zu dieser Höhe droht, der soll amnestiert werden.

Licio Gelli ist zu gerade vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wird das Projekt Gesetz, kommt er sofort frei. Da sich seine Auslieferung aus Frankreich noch einige Zeit verzögern wird – nach seiner Verhaftung unternahm er einen Selbstmordversuch – und Italiens Gerichte mit Sicherheit Haftverschonung geben, wenn ein „milderndes“ Gesetz im Anzug ist, wird er in seiner Heimat keinen Tag mehr brummen müssen.

Natürlich leugnet die Regierung Prodi jeden Zusammenhang des Gesetzesvorhabens mit der Verhaftung Gellis. Es habe „keinerlei Mauscheleien gegeben“, versichert Innenminister Giorgio Napolitano. Doch selbst Mitglieder der eigenen Regierungskoalition wollen nicht so recht daran glauben. Sie vermuten zwar nicht, daß die Regierung mit ihrem Vorhaben just auf Gelli gezielt habe. Sie unterstellen aber, daß der von Heimweh geplagte, auf die 80 zugehende Gelli den Häschern unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Regierungspläne mehr oder minder freiwillg „ins Netz“ ging, weil er sich nicht mehr vom Knast bedroht fühlt.

„Ein bitterer Geschmack bleibt“, sagt ein Mitarbeiter des Senators Antonio Di Pietro, vordem Chefankläger bei den großen Korruptionsverfahren. „Wieder einmal ist es der Regierung gelungen, ein sicher notwendiges Projekt wie den Abschluß der Korruptionsverfahren mit dem Beigeschmack einer dubiosen Förderung von Dunkelmännern zu verbinden.“ Der Widerstand gegen das Vorhaben formiert sich bereits: Mehrere Dutzend Koalitionsabgeordnete haben bereits angekündigt, dagegenzustimmen, wenn die Amnestiepläne bestehenbleiben. In den Zeitungsredaktionen und Parteizentralen laufen Tausende wütender Anrufe und Faxe ein, die die unterstellte Kungelei lauthals anklagen. Werner Raith