Israel macht Palästinensergebiete dicht

Nach dem Tod zweier Hamas-Führer kündigen die Islamisten Vergeltung an. Sicherheitsvorkehrungen werden landesweit verstärkt. US-Unterhändler Ross setzt seine Vermittlermission im Nahen Osten fort  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Die israelische Armee hat gestern morgen nach dem Tod zweier Hamas-Führer die palästinensischen Gebiete auf unbestimmte Zeit abgeriegelt. Kein Palästinenser dürfe nach Israel einreisen, erklärte ein Polizeisprecher. Betroffen sind knapp zweieinhalb Millionen Menschen, darunter auch die rund 60.000 palästinensischen Arbeiter, die über eine Arbeitsgenehmigung in Israel verfügen.

Die Brüder Imad und Adel Awadallah waren am Donnerstag in einem Haus nahe der Ortschaft Taibeh westlich von Hebron erschossen worden. Nach eigenen Angaben wurde die israelische Armee durch Schüsse und Explosionen in dem Haus alarmiert. Bei dem anschließenden Schußwechsel seien die Brüder getötet worden. In dem Haus seien große Mengen Waffen und Sprengstoff gefunden worden. Dies könnte darauf hindeuten, daß auch palästinensische Sicherheitskräfte an der Aufspürung der Awadallahs beteilgt waren. Das Dorf, in dem die Brüder erschossen wurden, liegt aber im sogenannten C-Gebiet, das völlig unter der zivilen und militärischen Kontrolle Israels steht.

Hamas-Sprecher Mahmoud Zahar kündigte gestern in Gaza Vergeltung für den Tod der beiden Brüder an. Israel werde einen hohen Preis bezahlen. Im ganzen Land wurden deshalb die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Die letzten Anschläge der Hamas im Sommer vergangenen Jahres in Jerusalem kosteten 15 Israelis und 5 Selbstmördern das Leben.

Die Brüder Awadallah galten als führende Köpfe der Ezzedin al- Kassem-Brigaden, dem militärischen Arm der islamischen Hamas. Imad Awadallah war erst vor knapp vier Wochen aus einem palästinensischen Gefängnis in Jericho entkommen. Die Autonomiebehörde beschuldigte ihn, für den Mord am Hamas-Bombenbauer Mohidin al-Sharif verantwortlich zu sein. Sharif war zu Jahresbeginn in Ramallah ermordet worden, angeblich aufgrund interner Machtkämpfe. Bislang sind die genauen Umstände seines Todes nicht geklärt worden. Adel Awadallah wurde in israelischen Presseberichten sogar als neuer Militärchef der al-Kassem-Brigaden bezeichnet. Angeblich planten die Brüder eine neue Anschlagsserie in Israel.

Trotz des neuen Zwischenfalls und der erhöhten Spannung setzte US-Unterhändler Dennis Ross gestern seine Vermittlungsmission fort. Nach einer ersten Gesprächsrunde mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab Ross sich vorsichtig optimistisch. „Ich glaube, es gibt den Wunsch, Mittel und Wege zu finden, um die Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken“, sagte Ross. Er verlängerte seinen Aufenthalt um mehrere Tage.

Es ist das erste Mal seit vier Monaten, daß der US-Unterhändler zu einer Vermittlungsmission im Nahen Osten weilt. Kern der Verhandlungen ist die US-Initiative, nach der Israel einen weiteren Teilrückzug aus dem Westjordanland vornehmen soll. Obwohl der Vorschlag seit Monaten auf dem Tisch liegt, hat die US-Regierung es bislang vermieden, den Plan öffentlich zu machen. Netanjahu hatte den US-Plänen nach monatelangem Lavieren im Prinzip zugestimmt. Doch verlangt er Modifikationen des Plans, die von den Palästinensern bislang abgelehnt wurden. So sollen drei Prozent des Rückzugsgebiets in der Judäischen Wüste zum Naturreservat erklärt werden, in dem die Palästinenser nicht bauen dürfen und die Polizeihoheit den Israelis überlassen.

Nach mehreren geheimen Gesprächen zwischen Netanjahu und dem palästinensischen Parlamentspräsidenten Abul Ala wurde eine Übereinkunft erzielt. Der Entwurf sieht nach israelischen Presseberichten unter anderem die Öffnung des Flughafens in Gaza sowie den Bau eines Seehafens vor. Mehrere tausend palästinensische Gefangene sollen freikommen. Doch solange Israel dem US- Paket nicht in vollem Umfang zustimme, könne es keine Einigung geben, ließ Arafat erklären.