„Andere Konzerne werden nachziehen“

■ Der VW-Konzern richtet für ehemalige Zwangsarbeiter einen privaten Hilfsfonds ein. Nach dem Beschluß muß jetzt verhandelt werden. Klaus von Münchhausen vertritt eine Gruppe von Überlebenden

Über den neuen Fonds will die Volkswagen AG den überlebenden Zwangsarbeitern zunächst 20 Millionen Mark zur Verfügung stellen. Ein Kuratorium soll entscheiden, wie das Geld aufgeteilt wird. Münchhausen vertritt von den etwa 2.000 überlebenden Zwangsarbeitern eine Gruppe von etwa 150, die VW Klage angedroht haben.

taz: Ist die Klage jetzt ein für allemal vom Tisch?

Klaus von Münchhausen: Das kann erst entschieden werden, wenn man weiß, was individuell ausgezahlt wird. Wir fordern 4.000 Mark pro Monat Zwangsarbeit; das ist der Lohn, der den damaligen Zwangsarbeitern nach heutiger Rechnung tariflich zustehen würde. Ich wäre aber auch zufrieden, wenn die Hälfte dabei herauskommt. VW muß sich auf jeden Fall zu einem Kompromiß bereit zeigen.

Sehen die Zwangsarbeiter das auch so?

Obwohl die Leute stinksauer auf den Volkswagen-Konzern sind und lieber heute als morgen prozessieren würden, gibt es eine Kompromißbereitschaft. Ich war vorige Woche noch einmal in Israel und habe mit ihnen geredet. Das letzte Wort haben natürlich die Betroffenen selbst; die müssen jetzt erst einmal über das Angebot beraten.

Wo liegt denn die finanzielle Schmerzgrenze?

Auf ein Trinkgeld werden die sich nicht einlassen. Den Menschen ist eine schnelle Regelung lieber als langjähriges Verhandeln um ein paar Mark, denn sie sind ja aufgrund ihres hohen Alters erpreßbar. Allerdings werden sie sich nicht erpressen lassen, und da bekommen sie Unterstützung. In Israel sind viele Leute sehr wütend auf Volkswagen.

Schon die Ankündigung von VW Anfang Juli, einen Hilfsfonds einrichten zu wollen, hatte die Debatte über Entschädigungszahlungen neu aufleben lassen. Rechnen Sie auch jetzt mit einer Signalwirkung?

Ich bin ziemlich sicher, daß andere Konzerne nachziehen werden. Ich habe am Donnerstag mit der Firma Varta verhandelt, im Namen einer Gruppe dänischer Widerstandskämpfer, die im KZ Neuengamme interniert waren und zur Arbeit gezwungen wurden. Varta zeigt sich grundsätzlich verhandlungsbereit, sowohl für Individualentschädigungen als auch für eine bundesweite Lösung. Ähnlich gesprächsbereit zeigen sich die Firma Hochtief, Daimler- Benz und BMW.

Der VW-Konzern ist rechtlich nicht zu Entschädigungsleistungen verpflichtet, er sieht sich moralisch dazu in der Pflicht. Gerät auch die Politik in Zugzwang?

Ich bin absolut sicher. Mit Rückenwind der niedersächsischen Staatskanzlei habe ich schon einen Arbeitskreis gegründet. Wir bereiten gegenwärtig ein Bundesstiftungsgesetz zur Entschädigung vor. Wenn ein neues Parlament gewählt wird, dann müssen sich die Fachausschüsse nicht völlig neu einarbeiten.

Bundeskanzler Kohl verweigert bislang die Beteiligung an einer Bundesstiftung, SPD-Kanzlerkandidat Schröder ist im Falle eines Wahlsiegs dafür, ebenso die Grünen.

Kohl wird reagieren müssen, zumal der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) inzwischen zwar nicht direkt grünes Licht gegeben hat, aber zumindest von Rot auf Gelb übergegangen ist. Der BDI überläßt die Entscheidungen seinen einzelnen Unternehmen und zeigt sich insgesamt kooperativ. Interview: Kerstin Willers