Zwei Politiker, die fest gegeneinanderstehen

■ Wenn die Spitzenmänner sich streiten, freut sich das Parteivolk der CSU. In Bayern profitieren Theo Waigel und Edmund Stoiber von ihren Animositäten. Morgen ist alles entschieden

München (taz) – Theo Waigel hat den längeren, durften wir jüngst erfahren. 1,70 Meter mehr mißt der moderne Wahlkampfbus des Bundesfinanzministers als derjenige des alten und wohl auch neuen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Im Dauerzwist zwischen CSU- Chef Waigel und Ministerpräsident Stoiber ist diese Information nur ein weiteres Sahnehäubchen für die interessierte Öffentlichkeit. Denn wenn es in Bayern schon keine ernstzunehmende Opposition gibt und sich der politische Diskurs auf zustimmendes Nicken oder empörte Ablehnung der Thesen der CSU beschränkt, dann mag man sich wenigstens an den Rempeleien der Häuptlinge der Staatspartei erfreuen. Wäre die Rivalität der beiden konservativen Parteibonzen damals nicht so offensichtlich hervorgetreten, als das Gerücht umging, Stoiber habe mit Indiskretionen über Waigels im Umbruch befindliches Privatleben seine Macht in der CSU stärken wollen, handelte es sich hier nicht um zwei ungleiche Brüder im Streit um das Erbe ihres Übervaters Franz Josef Strauß – könnte man fast meinen, der Konflikt sei ein geschickt inszeniertes Wahlkampfmanöver.

Beide Politiker bedienen innerhalb der Partei ganz eigene Klischees, wenngleich sie sich vor derselben wertkonservativ-kitschigen Bayernkulisse bewegen. Da ist einerseits Edmund Stoiber, der eigentlich nie ernsthaft versucht hat, mit dem Image des unfrohen Dauerarbeiters zu brechen, und der angeblich Tee aus Maßkrügen schlürft, um im Bierzelt nicht als Asket aufzufallen. Er spricht in erster Linie für den bayerischen Provinz-Patrioten: Der Euro ist ihm wie alles andere Fremde nichtbayerischer Prägung zutiefst suspekt, die Politik der CDU oft genug zu kompromißbereit, und die FDP würde er am liebsten sofort zum Teufel jagen, wenn es denn bundesweit auch ohne sie zum Machterhalt reichen würde.

Theo Waigel, der sich in der Rolle des erdverbundenen Schwaben und Familienvaters gefällt, hat beim Parteivolk eine schwierigere Position. Als wichtigster CSU-Entsandter in der Bonner Regierungskoalition bleiben ihm die Verhandlungen, die Unterwerfung unter den Sachzwang, daß Deutschland und die Welt eben doch nicht nur mit urbayerischen Rezepten regiert werden wollen. Häufiger als der Alleinregent Stoiber muß Waigel Abstriche von der reinen Lehre der CSU machen und dann daheim die Politik einer Bundesregierung verteidigen, gegen die Stoiber unter großem Applaus seiner Anhänger gerne mal polemisiert – falls nicht gerade Wahlkampf ist. Dann beglückwünschen sich der „liebe Theo“ und der „liebe Edmund“ zu ihren selbstverständlich großen Erfolgen und hervorragenden Wahlreden.

Wie austauschbar die beiden Köpfe der CSU sind, zeigt sich an deren Wahlwerbespot im Fernsehen: In zwei fast identischen Fassungen werben Stoiber und Waigel, gleichermaßen eindringlich und sanft, mit sehr ähnlichem Text um Stimmen für Landtags- und Bundestagswahl – die dazwischen eingeblendeten glücklichen Kinder, Familien und Polizeiautos sind dieselben. Spätestens nach der Bundestagswahl werden sie sich wieder rangeln – im Falle eines schlechten Abschneidens der Koalition im Bund wird Stoiber versuchen, Waigel den Parteivorsitz zu entreißen. Der hat sich schon im Vorfeld gegen solche Spekulationen verwahrt: „Warum soll ich zurücktreten – ich bin doch erst neun Jahre Parteivorsitzender. Andere machen das schon zwanzig Jahre lang.“ Stoiber hat sich zwar gehütet, so kurz vor der Wahl noch einen seiner Wadlbeißer darauf reagieren zu lassen. Endlich das Amt des Parteivorsitzenden wieder mit dem des Ministerpräsidenten zu vereinen würde ihn seinem Idol Strauß jedoch näherbringen.

Die Streitereien innerhalb der CSU, die in einer linken Partei wohl längst in die Handlungsunfähigkeit geführt hätten, bescheren den Christsozialen eine angenehme Variante der Demokratie: In Bayern kann man durchaus gegen den einen oder anderen CSU- Protagonisten sein – und trotzdem guten Gewissens CSU wählen. Stefan Kuzmany