Attacke mit Feinripp und Filzpantoffeln

Die kleinen Parteien wildern bei den Stammwählern der CSU. Die muß morgen bei den Landtagswahlen um ihre absolute Mehrheit in Bayern fürchten. Nach 36 Jahren Alleinregierung geht das Bangen um  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Gehen Sie zur Wahl, geben Sie uns Ihre Stimme, sorgen Sie dafür, daß ich Spielführer bleibe.“ Für Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist das „Spiel“ noch nicht gelaufen. Nahezu flehentlich appellierte er bei seinen Kundgebungen an die Zuhörer. Er weiß, es wird „verdammt“ schwer, das selbstgesteckte Ziel „50 plus X“ zu erreichen, und er weiß auch, warum: Noch nie gab es so viele kleine Parteien, die der CSU ein paar Prozentpunkte abjagen könnten, weil sie Fleisch aus dem Fleisch der CSU sind.

Seit 36 Jahren regiert die CSU allein im Freistaat, seit 28 Jahren holte sie regelmäßig auch die absolute Mehrheit der Stimmen, zuletzt 1994 mit 52,8 Prozent, dem allerdings schlechtesten Wahlergebnis seit 1966. Morgen fischen nun die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) und die erstmals kandidierenden „Freien Wähler“ (FW) in der christlich-konservativen Stammwählerschaft der CSU, der „Bund Freier Bürger“ (BFB) und die „Republikaner“ (Rep) wildern an ihrem rechten Rand. Alle vier zusammen haben Aussichten, zwischen 10 und 15 Prozent zu holen. Dazu kommt die FDP, zuletzt bei 2,8 Prozent, und die Bayernpartei mit zuletzt 1 Prozent. „Unser Ergebnis hängt im wesentlichen von der Summe der Splitterparteien ab“, ist dem CSU-Fraktionschef Alois Glück klar.

Am stärksten zittert die CSU vor den Freien Wählern. Die sind in Bayern auf kommunaler Ebene seit je eine tragende Kraft. Bei den letzten Kommunalwahlen holten sie beachtliche 16,2 Prozent. Jeder dritte Bürgermeister in Bayern ist seitdem parteifrei. Im März 1997 stimmten die Freien Wähler mit knapper Mehrheit dafür, erstmals zur Landtagswahl anzutreten. „Wir holen ein zweistelliges Ergebnis“, frohlockte FW-Spitzenkandidat Armin Grein, seit 1984 Landrat in Main-Spessart.

Flugs gründete man eine Wählergruppe und schusterte ein Programm zusammen. Man plädiert nun für die Direktwahl des Ministerpräsidenten durch das Volk, gibt sich Euro-skeptisch und steht in der Inneren Sicherheit der CSU in nichts nach. Um eine klare Aussage gegen die CSU mogelten sich die FW bislang herum. Grüne und SPD mahnten, sie müßten aufpassen, nicht zum „Wurmfortsatz der CSU“ zu verkommen.

Doch die Aufbruchstimmung vom vorigen Jahr ist bei den „Freien“ längst verflogen, bei Umfragen rangiert man zwischen 2 und 3 Prozent. Grein ist der einzige von acht freien Landräten, der auch kandiert. „Jeder Landtagsabgeordnete wäre gern Landrat oder Oberbürgermeister, umgekehrt ist das nicht so“, begründet der Spitzenkandidat die Zurückhaltung seiner Amtskollegen.

Grein hofft nun, daß die Plakatkampagne mit Filzpantoffeln („Ab in den Ruhestand, Filzamigos“) und Feinripp-Unterhosen („Wechseln lohnt sich“) Erfolg hat. Doch auch wenn der Einzug ins Maximilianeum scheitern sollte, hat sich für ihn das Experiment einer Kandidatur „auf jeden Fall gelohnt“. Die FW hätten ihr Profil geschärft, Erfahrung in landesweiten Kampganen gesammelt und sich von zaudernden Mitgliedern „gereinigt“. Außerdem: „Nur wir können in das Wählerklientel der CSU einbrechen.“

Das behauptet auch die ÖDP, die 1994 bei 2,1 Prozent landete. Diesmal, so ihr Landessprecher Joachim Graf, läge man „bei geheimen Umfragen zwischen 4 und 5 Prozent“. Immerhin konnte die ÖDP, die in Bayern die Hälfte ihrer bundesweit 7.000 Mitglieder zählt, bei den Kommunalwahlen 1996 die Zahl der Mandate von 65 auf 214 mehr als verdreifachen.

Die ÖDP setzt auf den Rückenwind des von ihr erfolgreich initiierten Volksbegehrens zur Abschaffung des Senats. „Wir haben mehr erreicht als die Opposition in vier Jahren“, tönt Landeschef Bernhard Suttner und verbucht auch die Verkleinerung des Kabinetts und die Streichung von Atomkraftwerks-Standorten als Erfolg der ÖDP.

„Wir machen Ökologie für Leute aus der Mitte wählbar, weil wir die extremen Positionen der Grünen nicht vertreten“, betont Landesgeschäftsführer Urban Mangold. So spreche sich die ÖDP gegen ein Einwanderungsgesetz, gegen die Legalisierung weicher Drogen, gegen Abtreibung und für den Schutz des ungeborenen Lebens aus. Außerdem habe man, so Mangold, „keinerlei Probleme mit Polizei, Justiz, Verfassungsschutz und Bundeswehr“. In einem ist sich Mangold sicher: daß nur wir die CSU verändern können“; er schließt eine Zusammenabeit mit der CSU nicht grundsätzlich aus.

Gefahr droht der CSU nicht nur in der Mitte, sondern auch von rechts. Dort tummeln sich die Reps mit dem Slogan „Wir halten, was die CSU verspricht“. Vor vier Jahren schafften sie mit immerhin 453.872 Stimmen 3,9 Prozent. Am rechten Rand haben sie nur die in einigen Bezirken kandidierende NPD und den BFB als Konkurrenz. Der BFB des ehemaligen FDP-Landeschefs Manfred Brunner kämpft „gegen Eurowahn und Masseneinwanderung“ und kann zumindest von der Deutschen Volksunion (DVU) eine Wahlempfehlung vorweisen.

Allein bei der DVU ist die Strategie der CSU, den rechten Rand nicht ausfransen zu lassen, aufgegangen. Weil „die CSU bereits unsere Politik vertritt“, trat die DVU in Bayern gar nicht erst an.