"Ich habe gewissen Einfluß"

■ Andreas Fritzenkötter, einer der engsten Vertrauten von Bundeskanzler Helmut Kohl, über seine Rolle als Medienberater, die Chancen der Koalition und das Image des SPD-Kandidaten Gerhard Schröder

taz: Sie gelten als einer der einflußreichsten Berater von Helmut Kohl und inzwischen als der einzige direkte Mittler zwischen Kanzler und Medien. Was tun Sie eigentlich den ganzen Tag?

Andreas Fritzenkötter: Ich verstehe meinen Job als eine Art Seismograph zwischen den Welten Politik und Medien. Eine Aufgabe ist, den Journalisten möglichst viel Hintergrundwissen zu vermitteln, und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch eine Rückkoppelung. Das heißt, ich versuche in die Arbeit hier im Kanzleramt das Meinungsbild, das bei den Medienvertretern vorherrscht, mit einzubringen. Meine Haupttätigkeit ist sicherlich das Telefonieren. Ich führe allein mit Journalisten jeden Tag zwischen 40 und 60, in Hochzeiten bis 100 Gespräche.

Wie oft sprechen Sie mit dem Bundeskanzler?

Das ist unterschiedlich; in der Regel etwa vier- oder fünfmal am Tag. Ich habe jederzeit Zugang zu ihm. Das ist auch notwendig, weil ja oft Sprachregelungen abgestimmt werden müssen.

Haben Sie auch politischen Einfluß, oder sind Sie nur für die richtige Taktik im Medienzeitalter zuständig?

Einen gewissen Einfluß habe ich durch meine Arbeit sicherlich. Jeden Tag halte ich den Pressevortrag in der Morgenlage des Bundeskanzlers mit seinen engen Beratern. Dabei gebe ich natürlich persönliche Bewertungen ab. Grundsätzlich beurteilen Politiker, auch der Kanzler, bestimmte Entscheidungen und Ereignisse auch unter dem Aspekt, wie man es am besten in der Öffentlichkeit darstellt. Und dabei werde ich auch gehört.

Sie beeinflussen hinter den Kulissen auch das Erscheinungsbild des Bundeskanzlers in den Medien. Was ist denn der größte Makel des Images von Helmut Kohl?

Ich beeinflusse nicht das Erscheinungsbild des Bundeskanzlers. Er braucht keine Imageberatung, weil er viel authentischer ist als die meisten Politiker heute. Kohl ist einer der letzten, vielleicht sogar der letzte Vertreter einer Politikergeneration, die sich auch in ihrem öffentlichen Bild nicht verstellt. Er ist denkbar ungeeignet, Schauspieler oder Kanzlerdarsteller zu sein.

Für Aufsehen hat vor einigen Wochen die Berufung des ehemaligen „Bild“-Chefredakteurs Hans- Hermann Tiedje als Medienberater des Kanzlers während des Wahlkampfs gesorgt. In Bonn war zu hören, Sie seien darüber wenig glücklich gewesen. Stimmt das?

Das ist kompletter Unsinn. Wir sind seit zehn Jahren befreundet, und es war nicht zuletzt meine Anregung, ihn hierherzuholen. Tiedje ist jemand, der auch kompliziertere Vorgänge auf Schlagzeilenformat einkochen kann. Er hat für den Wahlkampf schon sehr viel gebracht.

Zum Beispiel?

Ich denke an die Anzeigenserie in der „Bild“-Zeitung, die in erster Linie aus seiner Feder kommt, außerdem an die „NBI“, die Illustrierte für die neuen Länder. Es werden in den nächsten Tagen noch weitere Publikationen der CDU in Millionenauflage auf den Markt kommen. Da werden im Stil einer Boulevardzeitung die verschiedenen politischen Aussagen der CDU transportiert. Das sind Sachen, die Hans-Hermann Tiedje eben sehr gut und mit der ihm eigenen Power eingebracht hat.

Woran messen Sie in diesem Zusammenhang Erfolg?

An der Resonnanz aus der Partei, zum Beispiel. Allein die Ankündigung von Helmut Kohl, er werde sich Hans-Hermann Tiedje als Wahlkampfberater holen, hat dazu geführt, daß die Medien eine Woche lang über den CDU-Wahlkampf berichtet haben. Das ist schon mal positiv. Die Anzeigen in der „Bild“-Zeitung zeigen, daß die CDU sehr massiv, sehr kämpferisch Wahlkampf führt. Das ist gut.

Der Kanzler und Sie selbst verbreiten Siegeszuversicht. Wie begründen Sie die eigentlich angesichts der nach wie vor für die Regierung ungünstigen Prognosen?

Mit der hohen Zahl der Unentschiedenen, mit der Bewegung, die erkennbar in den Umfragen da ist, und mit der Tatsache, daß sich viele Menschen erst jetzt nach der Urlaubszeit wirklich für den Wahlkampf und die Wahl interessieren. Es wird für mich immer deutlicher, daß Schröders Wahlkampf der Inszenierungen auch von vielen Medien kritisch gesehen wird. Gerade eher linksgerichtete Journalisten vermissen die Inhalte. Ich glaube, daß heute dieses plumpe Wechselgefühl – dieses: Kohl muß weg – ganz stark in den Hintergrund getreten ist gegenüber der Fragestellung bei vielen Bürgern: Was für Folgen würde ein Wechsel haben? All das läßt einen schon zu Recht optimistisch sein.

Was war denn mit Blick auf die Medien das Klügste, das der SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder getan hat?

Schröder hat sehr stark im Vorfeld dieses Wahlkampfs geschafft, Medien und ihre Vertreter zu instrumentalisieren. Salopp gesagt: Ich schätze mal, inzwischen duzt er etwa fünfzig Prozent der bedeutenderen Journalisten. Er hat erreicht, daß sich Nachrichtenmoderatoren und Chefredakteure ohne jede Hemmung zu ihm bekannt haben. Weil es dem Zeitgeist entsprach. Auch früher haben Journalisten ihre parteipolitischen oder persönlichen Neigungen gehabt – natürlich auch einige für die CDU. Nur haben sich die meisten noch um Distanz bemüht. Wenn ich daran denke, was wir uns in früheren Wahlkämpfen über die angebliche Kohl-Presse und sogenannte Kanzler-Sender haben vorhalten lassen müssen und sehe, wie heute in einigen Medien für Schröder Stimmung gemacht wird, ärgere ich mich manchmal schon.

Was hat Schröder falsch gemacht?

Ich glaube, daß er bei seiner Inszenierung die Schraube überdreht. Ein Beispiel: Ich halte es für einen Fehler, daß er in einer RTL- Soap-Opera aufgetreten ist. Die Leute wollen einen Kanzler und keinen Schauspieler. Schröder macht den Wahlkampf einer Werbeagentur, nicht den eines Politikers, der aus Überzeugung redet und handelt.

Was war der klügste Schachzug des Kanzlers im Wahlkampf?

Im Grund der gleiche wie 94. Kohl hat relativ lange gewartet und sich dann mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit und seiner Ausstrahlung in diesen Wahlkampf geworfen. Die Tatsache, daß in den letzten Wochen eine Bewegung zu unseren Gunsten entstanden ist, hat auch etwas damit zu tun.

Und was hat er falsch gemacht?

Im Moment kann ich gravierende Fehler nicht erkennen.

Nun hat Kohl angekündigt, für die volle Legislaturperiode anzutreten. Dennoch wird sich irgendwann die Nachfolgerfrage stellen. Sie selbst sind seinerzeit von Volker Rühe zur Partei geholt worden. Wen können Sie sich besser als Regierungschef vorstellen – ihn oder Wolfgang Schäuble?

Beide haben große Qualitäten, beide wollen eng zusammenarbeiten. Und deshalb bekommen Sie auf diese Frage von mir keine Antwort. Interview: Bettina Gaus