Ärzteschaft verabschiedet umstrittene Richtlinie zur Sterbehilfe

■ Standesvertretung hält Abbruch der medizinischen Behandlung unter bestimmten Voraussetzungen für vertretbar

Frankfurt/Main (taz) – Trotz zahlreicher Proteste hat der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) gestern in Köln seine neue Richtlinie zur ärztlichen Sterbebegleitung beschlossen. Noch am Donnerstag hatten Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD und Grünen eindringlich an die BÄK-Spitze appelliert, das Papier erst nach der Bundestagswahl zu beschließen. Die Deutsche Hospiz-Stiftung reagierte gestern „mit großem Bedauern und in tiefer Sorge“ auf den Beschluß.

Die Richtlinie ist umstritten, zumal sie gestattet, was kein deutsches Gesetz erlaubt: daß Ärzte den Tod von Patienten durch den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen herbeiführen dürfen, die gar nicht im Sterben liegen, etwa bei Menschen im Koma, mit fortgeschrittener Demenz oder bei Neugeborenen mit Behinderungen. Voraussetzung für das „Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen“ ist laut Richtlinie, daß zuvor ein Bevollmächtigter oder Betreuer stellvertretend für den Betroffenen in den todbringenden Abbruch der Behandlung eingewilligt und ein Vormundschaftsgericht diese Entscheidung genehmigt hat. Die Deutsche Hospiz-Stiftung warf den Ärzten vor, mit dieser Richtlinie Nichtsterbende zu Sterbenden zu machen, in das Grundgesetz eingegriffen und einem Gesetzgebungsverfahren vorgegriffen zu haben.

Formal hat die Richtlinie den Charakter einer Empfehlung für die rund 350.000 deutschen Ärzte. Verbindlich wird die Direktive, sobald ihr Inhalt in die Berufsordnung der Landesärztekammern übernommen wird. Klaus-Peter Görlitzer

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